Varlam Shalamov Kolyma Geschichten Maxime. Lesen Sie das Buch "Sentence" vollständig online - Varlam Shalamov - MyBook

Die erste Lesung von "Kolyma Tales" von V. Shalamov

Über die Prosa von Varlam Shalamov zu sprechen bedeutet, über die künstlerische und philosophische Bedeutung der Nichtexistenz zu sprechen. Über den Tod als kompositorische Grundlage des Werkes. Über die Ästhetik des Verfalls, des Zerfalls, des Zerfalls ... Es scheint, dass es nichts Neues gab: Vor Shalamov waren der Tod, seine Bedrohung, Erwartung und Annäherung oft die Hauptantriebskraft der Handlung und die Tatsache des Todes selbst diente als Auflösung ... Aber in Kolyma-Geschichten, anders. Keine Drohungen, kein Warten! Tod, Nichtexistenz ist hier die künstlerische Welt, in der sich die Handlung normalerweise entfaltet. Die Tatsache des Todes vorangegangen der Anfang der Geschichte. Die Grenze zwischen Leben und Tod wurde von den Charakteren für immer überschritten, noch bevor wir das Buch öffneten und nachdem wir es geöffnet hatten, die Uhr begann, die künstlerische Zeit zu zählen. Die künstlerischste Zeit hier ist die Zeit der Nichtexistenz, und dieses Merkmal ist vielleicht das wichtigste in Shalamovs Schreibstil ...

Aber hier zweifeln wir sofort: Haben wir das Recht, die künstlerische Art des Schriftstellers genau zu verstehen, dessen Werke heute vor allem als historisches Dokument gelesen werden? Liegt darin nicht eine blasphemische Gleichgültigkeit gegenüber den wahren Schicksalen echter Menschen? Und über die Realität von Schicksalen und Situationen, über den dokumentarischen Hintergrund der Kolyma-Geschichten sprach Shalamov mehr als einmal. Ja, und ich würde nicht sagen - die dokumentarische Grundlage ist bereits offensichtlich.

Sollten wir uns also nicht zuerst an die Leiden der Gefangenen in Stalins Lagern erinnern, an die Verbrechen der Henker, einige von ihnen leben noch, und die Opfer schreien nach Rache ... Wir werden über Shalamovs sprechen Texte - mit Analyse, über die kreative Art, über künstlerische Entdeckungen. Und, sagen wir gleich, nicht nur über Entdeckungen, sondern auch über einige ästhetische und moralische Probleme der Literatur ... Es ist auf diesem, Shalamovs, Lager, immer noch blutendes Material - haben wir das Recht? Kann man ein Massengrab analysieren?

Aber schließlich war Shalamov selbst nicht geneigt, seine Geschichten als ein Dokument zu betrachten, das der künstlerischen Form gleichgültig ist. Als brillanter Künstler war er anscheinend nicht zufrieden mit der Art und Weise, wie seine Zeitgenossen ihn verstanden, und schrieb eine Reihe von Texten, die die künstlerischen Prinzipien der Kolyma-Erzählungen genau erklärten. „Neue Prosa“ nannte er sie.

„Damit Prosa oder Poesie existieren können, spielt es keine Rolle, Kunst erfordert ständige Neuheit“

Er schrieb, und das Wesen dieser Neuerung zu erfassen, ist gerade die Aufgabe der Literaturkritik.

Sagen wir mehr. Wenn "Kolyma Tales" ein großartiges Dokument der Ära ist, dann werden wir nie verstehen, worüber es erzählt, wenn wir nicht verstehen, was seine künstlerische Neuheit ist.

„Die Sache des Künstlers ist genau die Form, denn sonst kann sich der Leser und der Künstler selbst an einen Ökonomen, einen Historiker, einen Philosophen wenden und nicht an einen anderen Künstler, um den Meister, den Lehrer zu übertreffen, zu besiegen, zu übertreffen “, schrieb Shalamov.

Mit einem Wort, wir müssen nicht nur und nicht so sehr den Sträfling Shalamov, sondern vor allem den Künstler Shalamov verstehen. Es ist notwendig, die Seele des Künstlers zu verstehen. Schließlich war er es, der sagte: „Ich bin der Chronist meiner eigenen Seele. Nicht mehr". Und ohne die Seele des Künstlers zu verstehen, wie kann ein Mensch das Wesen und die Bedeutung der Geschichte verstehen, das Wesen und die Bedeutung dessen, was mit ihm geschieht? Wo sonst lauern diese Bedeutungen und Bedeutungen, wenn nicht in großen Werken der Literatur!

Aber es ist schwierig, Shalamovs Prosa zu analysieren, weil sie wirklich neu und grundlegend anders ist als alles, was bisher in der Weltliteratur war. Daher sind einige der früheren Methoden der Literaturanalyse hier nicht geeignet. So reicht beispielsweise das Nacherzählen – eine gängige Methode der Literaturkritik bei der Analyse von Prosa – bei weitem nicht immer aus. Wir haben viel zu zitieren, wie es in der Poesie so ist ...

Lassen Sie uns also zunächst über den Tod als Grundlage künstlerischer Gestaltung sprechen.

Die Geschichte "Sentence" ist eines der mysteriösesten Werke von Varlam Shalamov. Nach dem Willen des Autors selbst wurde er an letzter Stelle im Korpus des Buches "Left Bank" platziert, das wiederum als Ganzes die Trilogie von "Kolyma Tales" vervollständigt. Diese Geschichte ist in der Tat das Finale, und wie es in einer Symphonie oder einem Roman vorkommt, wo erst das Finale den gesamten vorherigen Text endgültig harmonisiert, so gibt hier nur die letzte Geschichte dem gesamten tausend Seiten die endgültige harmonische Bedeutung Narrativ...

Für den Leser, der bereits mit der Welt der Kolyma Tales vertraut ist, versprechen die ersten Zeilen der Maxime nichts Ungewöhnliches. Wie in vielen anderen Fällen versetzt der Autor den Leser bereits zu Beginn an den Rand der bodenlosen Tiefen der anderen Welt, und aus diesen Tiefen erscheinen uns die Charaktere, die Handlung und die eigentlichen Gesetze der Handlungsentwicklung. Die Geschichte beginnt energisch und paradox:

„Menschen sind aus dem Nichts entstanden – einer nach dem anderen. Ein Fremder legte sich neben mich auf die Pritsche, lehnte sich nachts an meine knochige Schulter …“

Die Hauptsache ist die aus der Nichtexistenz. Nichtexistenz, Tod sind Synonyme. Sind Menschen aus dem Tod auferstanden? Aber wir haben uns an diese Shalamov-Paradoxien gewöhnt.

Nachdem wir die Kolyma Tales in die Hand genommen haben, wundern wir uns schnell nicht mehr über die Unschärfe oder sogar das völlige Fehlen von Grenzen zwischen Leben und Nichtexistenz. Wir gewöhnen uns daran, dass Charaktere aus dem Tod entstehen und dorthin zurückkehren, wo sie hergekommen sind. Hier leben keine Menschen. Hier sind die Gefangenen. Die Grenze zwischen Leben und Tod verschwand für sie im Moment der Verhaftung ... Nein, und das Wort Festnahme- ungenau, hier unpassend. Die Verhaftung stammt aus einem lebendigen juristischen Lexikon, aber was passiert, hat nichts mit Recht zu tun, mit der Harmonie und Logik des Rechts. Die Logik ist zusammengebrochen. Der Mann wurde nicht festgenommen hat genommen. Sie nahmen es ganz willkürlich: fast zufällig - sie hätten ihn nicht nehmen können - einen Nachbarn ... Es gibt keine vernünftigen logischen Rechtfertigungen für das, was passiert ist. Wilder Zufall zerstört die logische Harmonie des Seins. Sie nahmen es, entfernten es aus dem Leben, aus der Mieterliste, aus der Familie, trennten die Familie und hinterließen die Leere, die nach dem Rückzug hinterlassen wurde, ein hässliches Gaffen... Das ist es, es gibt keinen Menschen. War oder war nicht - nein. Lebendig - verschwunden, umgekommen ... Und die Handlung der Geschichte beinhaltet bereits einen Toten, der aus dem Nichts gekommen ist. Er hat alles vergessen. Nachdem sie ihn durch die Bewusstlosigkeit und das Delirium all dieser sinnlosen Handlungen, die in den ersten Wochen an ihm verübt wurden, gezerrt und Verhör, Untersuchung, Verurteilung genannt hatten, wachte er nach all dem schließlich in einer anderen, ihm unbekannten, surrealen Welt auf – und erkannte das für immer . Er hätte vielleicht gedacht, dass alles vorbei ist und dass es von hier aus kein Zurück mehr gibt, wenn er sich genau daran erinnern würde, was endete und wohin es kein Zurück mehr gab. Aber nein, er erinnert sich nicht. Er erinnert sich weder an den Namen seiner Frau, noch an Gottes Wort, noch an sich selbst. Was war, ist für immer vergangen. Sein weiteres Umrunden der Kaserne, Verlegungen, "Krankenhäuser", Lager "Geschäftsreisen" - all das ist schon jenseitig ...

Wirklich, in dem Verständnis, dass Menschen in die Handlung der Geschichte eintreten (und insbesondere in die Handlung des "Satzes") vom Tod, gibt es nichts, was der allgemeinen Bedeutung von Shalamovs Texten widersprechen würde. Menschen entstehen aus der Nichtexistenz, und es scheint, dass sie einige Lebenszeichen zeigen, aber es stellt sich dennoch heraus, dass ihr Zustand dem Leser klarer wird, wenn wir von ihnen als von den Toten sprechen:

„Ein fremder Mensch lag neben mir auf der Pritsche, lehnte sich nachts an meine knochige Schulter, gab seine Wärme – Wärmetropfen – und erhielt meine zurück. Es gab Nächte, in denen mich durch Fetzen einer Cabanjacke, wattierte Jacken keine Wärme erreichte, und morgens sah ich meinen Nachbarn an, als wäre er ein toter Mann, und war ein wenig überrascht, dass der Tote am Leben war, aufstand ein Schrei, kleidet sich und gehorcht gehorsam dem Befehl.

So verschwinden sie aus dem Blickfeld des Erzählers, aus der Handlung der Geschichte, ohne Wärme und kein menschliches Bild in Erinnerung zu lassen:

"Ein Mann, der aus dem Nichts auftauchte, verschwand im Laufe des Tages - es gab viele Standorte in der Kohleexploration - und verschwand für immer."

Auch der Erzähler selbst ist ein Toter. Zumindest beginnt die Geschichte damit, dass wir den Toten kennenlernen. Wie sonst ist der Zustand zu verstehen, in dem der Körper keine Wärme enthält und die Seele nicht nur nicht unterscheidet, wo die Wahrheit ist, wo die Lüge ist, sondern diese Unterscheidung selbst ist für eine Person nicht von Interesse:

„Ich kenne die Leute nicht, die neben mir geschlafen haben. Ich habe ihnen nie Fragen gestellt, und nicht, weil ich dem arabischen Sprichwort folgte: "Frag nicht, und du wirst nicht belogen." Es war mir egal, ob sie mich belügen würden oder nicht, ich war außerhalb der Wahrheit, außerhalb der Lüge.

Auf den ersten Blick sind sowohl die Handlung als auch das Thema der Geschichte einfach und eher traditionell. (Die Geschichte ist seit langem von Kritikern bemerkt worden: siehe zum Beispiel: M. Geller. Concentration World and Modern Literature. OPI, London. 1974, S. 281-299.) Es scheint, dass dies eine Geschichte darüber ist, wie sich eine Person verändert , wie ein Mensch zum Leben erwacht, wenn sich mehrere Bedingungen seines Lagerlebens verbessern. Es scheint um die Auferstehung zu gehen: von der moralischen Nichtexistenz, vom Zerfall der Persönlichkeit über ein hohes moralisches Selbstbewusstsein bis hin zur Denkfähigkeit - Schritt für Schritt, Ereignis für Ereignis, Tat für Tat, Gedanke für Gedanke - vom Tod zum Leben ... Aber was sind die Extrempunkte dieser Bewegung? Was ist Tod im Verständnis des Autors und was ist Leben?

Der Helden-Erzähler spricht über seine Existenz nicht mehr in der Sprache der Ethik oder Psychologie – eine solche Sprache kann hier nichts erklären – sondern mit dem Vokabular einfachster Beschreibungen physiologischer Vorgänge:

„Ich hatte wenig Wärme. An meinen Knochen ist nicht mehr viel Fleisch übrig. Dieses Fleisch reichte nur für Wut - das letzte menschliche Gefühl ...

Und diese Wut bewahrend erwartete ich zu sterben. Aber der Tod, der noch vor kurzem so nah war, begann sich allmählich zu entfernen. Der Tod wurde nicht durch das Leben ersetzt, sondern durch ein Halbbewusstsein, eine Existenz, die keine Formeln hat und die nicht Leben genannt werden kann.

In der künstlerischen Welt von Kolyma Tales ist alles verschoben. Die üblichen Wortbedeutungen sind hier nicht geeignet: Sie bilden nicht die uns so wohlbekannten logischen Begriffe. Formeln Leben. Für Leser von Shakespeare ist es einfach, sie wissen, was es bedeutet Sei Na und - nicht zu sein, wissen Sie, was und was der Held wählt, und fühlen Sie sich in ihn hinein und wählen Sie gemeinsam mit ihm. Aber Shalamov - was ist das Leben? Was ist Bosheit? Was ist der Tod? Was passiert, wenn eine Person heute weniger gefoltert wird als gestern - na ja, zumindest hören sie auf, sie jeden Tag zu schlagen, und deshalb - das ist der einzige Grund! - Der Tod wird verschoben und er geht in eine andere Existenz über, in die keine Formeln?

Auferstehung? Aber ist es so auferstehen? Der Erwerb der Fähigkeit des Helden, das umgebende Leben sozusagen wahrzunehmen, wiederholt die Entwicklung der organischen Welt: von der Wahrnehmung eines Plattwurms bis zu einfachen menschlichen Emotionen ... Es besteht die Befürchtung, dass die Verzögerung des Todes plötzlich eintreten wird sich als kurz herausstellen; Neid auf die Toten, wer bereits starb 1938 und an lebende Nachbarn - kauend, rauchend. Mitleid mit Tieren, aber noch kein Mitleid mit Menschen...

Und schließlich, nach den Gefühlen, erwacht der Verstand. Es wird eine Fähigkeit erweckt, die einen Menschen von der ihn umgebenden Natur unterscheidet: Die Fähigkeit, Wörter aus Gedächtnisspeichern zu rufen und mit Hilfe von Wörtern Wesen, Gegenständen, Ereignissen, Phänomenen Namen zu geben, ist der erste Schritt, um endlich logisch zu finden Formeln Leben:

„Ich war erschrocken, fassungslos, als in meinem Gehirn genau hier – ich erinnere mich genau – unter dem rechten Scheitelbein – ein Wort geboren wurde, das für die Taiga völlig ungeeignet war, ein Wort, das ich selbst nicht verstand, nicht nur meins Kameraden. Ich rief dieses Wort, stand auf der Koje und drehte mich zum Himmel, zur Unendlichkeit:

- Eine Maxime! Maxime!

Und gelacht...

- Eine Maxime! Ich schrie direkt in den nördlichen Himmel, in die doppelte Morgendämmerung, schrie und verstand noch nicht die Bedeutung dieses Wortes, das in mir geboren wurde. Und wenn dieses Wort wiedergefunden, wiedergefunden wird - um so besser, um so besser! Große Freude erfüllte mein ganzes Wesen...

Eine Woche lang verstand ich nicht, was das Wort „Maxime“ bedeutet. Ich habe dieses Wort geflüstert, es herausgeschrien, mich erschreckt und die Nachbarn mit diesem Wort zum Lachen gebracht. Ich verlangte von der Welt, vom Himmel, Hinweise, Erklärungen, Übersetzungen... Und eine Woche später verstand ich - und schauderte vor Angst und Freude. Angst – weil ich Angst hatte, in diese Welt zurückzukehren, wo es für mich keine Rückkehr gab. Freude - weil ich sah, dass das Leben gegen meinen Willen zu mir zurückkehrte.

Viele Tage vergingen, bis ich lernte, immer mehr neue Wörter aus den Tiefen des Gehirns zu rufen, eines nach dem anderen ... "

Auferstanden? Aus der Vergessenheit zurückgekehrt? Freiheit erhalten? Aber ist es möglich, zurückzugehen, diesen ganzen Weg zurückzugehen – mit Verhaftung, Verhören, Schlägen, mehr als einmal dem Tod ausgesetzt – und wieder aufzuerstehen? Die Unterwelt verlassen? Befreien Sie sich?

Und was ist Befreiung? Die Fähigkeit wiedererlangen, Wörter zu verwenden, um logische Formeln zu bilden? Mit logischen Formeln die Welt beschreiben? Die Rückkehr in diese Welt, die den Gesetzen der Logik unterliegt?

Welches feurige Wort wird vor dem grauen Hintergrund der Kolyma-Landschaft für zukünftige Generationen aufbewahrt? Wird es ein allmächtiges Wort sein, das die Ordnung dieser Welt bezeichnet - LOGIK!

Aber nein, „Maxime“ ist kein Begriff aus dem Lexikon der Kolyma-Realität. Das Leben hier weiß es nicht Logik. Es ist unmöglich, mit logischen Formeln zu erklären, was passiert. Ein absurder Fall ist der Name des lokalen Schicksals.

Was nützt die Logik von Leben und Tod, wenn beim Herunterrutschen auf der Liste der Finger eines fremden, unbekannten (oder umgekehrt vertrauten und Sie hassenden) Auftragnehmers versehentlich auf Ihrem Nachnamen stoppt - und das war's , du bist nicht da, hast eine desaströse Geschäftsreise hinter dir und ein paar Tage später wird dein vom Frost verkrümmter Körper hastig Steine ​​auf den Lagerfriedhof werfen; oder zufällig stellt sich heraus, dass die örtlichen "Behörden" von Kolyma selbst eine bestimmte "Verschwörung von Anwälten" (oder Agronomen oder Historikern) erfunden und aufgedeckt haben, und plötzlich wird daran erinnert, dass Sie eine juristische (landwirtschaftliche oder historische) Ausbildung haben - und jetzt steht dein Name schon in der Hinrichtungsliste; oder ohne irgendwelche Listen fällt der Blick eines Verbrechers, der beim Kartenspiel verloren hat, versehentlich auf Sie - und Ihr Leben wird zum Einsatz für das Spiel eines anderen - und das war's, Sie sind weg.

Was für eine Auferstehung, was für eine Befreiung: wenn diese Absurdität nicht nur hinter dir, sondern auch vor dir liegt – immer, für immer! Man muss jedoch sofort verstehen: Es ist kein tödlicher Unfall, der den Schriftsteller interessiert. Und nicht einmal die Erforschung einer Fantasiewelt, die nur aus ineinander verschlungenen wilden Zufällen besteht, die einen Künstler mit dem Temperament eines Edgar Allan Poe oder Ambroise Bierce in seinen Bann ziehen könnte. Nein, Shalamov ist ein Schriftsteller der russischen psychologischen Schule, aufgewachsen mit der großen Prosa des 19. Jahrhunderts, und im wilden Aufeinanderprallen der Chancen interessiert ihn genau das Bestimmte Muster. Aber diese Muster liegen außerhalb der logischen Ursache-Wirkungs-Reihe. Das sind keine formal-logischen, sondern künstlerische Muster.

Tod und Ewigkeit lassen sich nicht mit logischen Formeln beschreiben. Sie passen einfach nicht in diese Beschreibung. Und wenn der Leser den letzten Shalamov-Text als eine große psychologische Studie wahrnimmt und gemäß der Logik, die den modernen Sowjetmenschen vertraut ist, erwartet, dass der Held im Begriff ist, vollständig zurückzukehren normal Leben, und schau nur, er wird passende finden Formeln, und er wird sich erheben, um die „Verbrechen des Stalinismus“ anzuprangern, wenn der Leser die Geschichte auf diese Weise wahrnimmt (und damit alle „Kolyma-Geschichten“ als Ganzes), dann wird er enttäuscht sein, da nichts davon passiert ( und kann bei Shalamov nicht passieren!). Und das Ganze endet sehr mysteriös ... mit Musik.

Die Tragödie der Kolyma-Erzählungen endet keineswegs mit einer anklagenden Maxime, nicht mit einem Racheruf, nicht mit einer Formulierung der historischen Bedeutung des erlebten Grauens, sondern mit heiserer Musik, einem gelegentlichen Grammophon auf einem riesigen Lärchenstumpf, a Grammophon das

„... gespielt, das Zischen der Nadel überwunden, eine Art symphonische Musik gespielt.

Und alle standen herum - Mörder und Pferdediebe, Diebe und Fraer, Vorarbeiter und Schwerarbeiter. Der Chef stand neben mir. Und sein Gesichtsausdruck war, als hätte er selbst diese Musik für uns geschrieben, für unsere gehörlose Taiga-Geschäftsreise. Die Schellackplatte wirbelte und zischte, der Stumpf selbst wirbelte, wickelte sich in all seinen dreihundert Kreisen auf, wie eine straffe Feder, dreihundert Jahre lang verdreht ... "

Und alle! Hier ist das Finale für Sie. Recht und Logik sind überhaupt nicht synonym. Hier ist das Fehlen von Logik ganz natürlich. Und eines der wichtigsten und wichtigsten Muster manifestiert sich darin, dass es keine Rückkehr aus der jenseitigen, irrationalen Welt gibt. Im Prinzip ... Shalamov hat wiederholt erklärt, dass es unmöglich ist, wiederzubeleben:

„... Wer hätte damals gedacht, dass wir eine Minute oder einen Tag oder ein Jahr oder ein Jahrhundert zu unserem früheren Körper zurückkehren mussten – wir hatten nicht erwartet, zu unserer früheren Seele zurückzukehren. Und sie kamen natürlich nicht zurück. Niemand ist zurückgekehrt."

Niemand kehrte in die Welt zurück, die mit Hilfe logischer Formeln erklärt werden könnte... Aber worum geht es dann in der Geschichte "Sentence", die einen so wichtigen Platz im Gesamtkorpus von Shalamovs Texten einnimmt? Was ist mit der Musik? Wie und warum entsteht ihre göttliche Harmonie in der hässlichen Welt von Tod und Verfall? Welches Geheimnis offenbart uns diese Geschichte? Welcher Schlüssel wird gegeben, um den gesamten mehrseitigen Band von Kolyma Tales zu verstehen?

Und weiter. Wie nah sind die Konzepte? Logik Leben und Harmonie Frieden? Offenbar sind es genau diese Fragen, auf die wir Antworten suchen müssen, um Shalamovs Texte und damit vielleicht viele Ereignisse und Phänomene sowohl in der Geschichte als auch in unserem Leben zu verstehen.

„Die Welt der Kasernen wurde von einer engen Bergschlucht zusammengedrückt. Begrenzt durch Himmel und Stein …“ – so beginnt eine von Shalamovs Geschichten, aber wir könnten unsere Notizen über den künstlerischen Raum in Kolyma Tales so beginnen. Der tiefe Himmel hier ist wie eine Strafzellendecke - er schränkt auch die Freiheit ein, er drückt genauso ... Jeder sollte hier alleine raus. Oder stirb.

Wo befinden sich all die umschlossenen Räume und umschlossenen Territorien, die der Leser in Shalamovs Prosa findet? Wo existiert oder existierte diese hoffnungslose Welt, in der die taube Unfreiheit eines jeden auf die völlige Unfreiheit aller zurückzuführen ist?

Natürlich fanden in Kolyma jene blutigen Ereignisse statt, die den Schriftsteller Shalamov, der sie überlebte und auf wundersame Weise überlebte, zwangen, die Welt seiner Geschichten zu erschaffen. Die Ereignisse fanden im berühmten statt geographisch Bereich und in einem bestimmten eingesetzt historisch time... Aber der Künstler bildet entgegen dem weit verbreiteten Vorurteil - von dem er selbst aber nicht immer frei ist - keine realen Ereignisse nach, geschweige denn "realen" Raum und Zeit. Wenn wir die Geschichten von Shalamov als künstlerische Tatsache verstehen wollen (und ohne ein solches Verständnis können wir sie überhaupt nicht verstehen - wir können sie weder als Dokument noch als psychologisches Phänomen oder philosophische Erfassung der Welt verstehen - im Allgemeinen dann Wenn wir zumindest etwas in Shalamovs Texten verstehen wollen, dann ist es zunächst notwendig zu sehen, welche Bedeutung diese "als ob physische" Kategorien - Zeit und Raum - in der Poetik der Kolyma-Erzählungen haben.

Seien wir vorsichtig, hier darf nichts übersehen werden ... Sagen wir, warum der Autor ganz am Anfang der Geschichte "In der Show" bei der Bezeichnung der "Szene" eine offensichtliche Anspielung auf alle benötigte: "Wir haben bei Naumovs Konogon Karten gespielt "? Was steckt hinter diesem Appell an Puschkin? Ist es nur Ironie, die die düstere Farbigkeit eines der letzten Kreise der Lagerhölle schattiert? Ein parodistischer Versuch, das tragische Pathos von The Queen of Spades zu "senken", indem man sich ihm eifersüchtig entgegenstellt ... nein, nicht einmal eine weitere Tragödie, sondern etwas jenseits der Grenzen jeder Tragödie, jenseits der Grenzen der menschlichen Vernunft und vielleicht etwas jenseits der Grenzen der Kunst im Allgemeinen?...

Der Eröffnungssatz von Puschkins Geschichte ist ein Zeichen für die leichte Freiheit der Charaktere, Freiheit in Raum und Zeit:

„Einmal haben wir mit Narumov, einem Pferdewächter, Karten gespielt. Die lange Winternacht verging unbemerkt; setzte sich um fünf Uhr morgens zum Abendessen ... ".

Sie setzten sich zum Abendessen zum fünften, oder sie konnten zum dritten oder zum sechsten. Die Winternacht blieb unbemerkt, aber die Sommernacht hätte genauso unbemerkt bleiben können ... Und im Allgemeinen konnte Narumov, der Horse Guardsman, nicht der Besitzer gewesen sein - in Entwurfsskizzen ist die Prosa überhaupt nicht so streng:

„Vor ungefähr 4 Jahren haben wir uns in P<етер>B<урге>mehrere durch Umstände verbundene junge Menschen. Wir führten ein ziemlich hektisches Leben. Wir aßen bei Andrie's ohne Appetit, tranken ohne Fröhlichkeit, gingen ins S.<офье>A<стафьевне>irritieren die arme alte Frau mit vorgetäuschter Lesbarkeit. Tagsüber töteten sie irgendwie, und abends versammelten sie sich abwechselnd beieinander.

Es ist bekannt, dass Shalamov ein absolutes Gedächtnis für literarische Texte hatte. Die intonatorische Beziehung seiner Prosa zu Puschkins Prosa kann kein Zufall sein. Hier ist eine kalkulierte Aufnahme. Wenn es in Puschkins Text einen offenen Raum, den freien Fluss der Zeit und die freie Bewegung des Lebens gibt, dann ist es in Shalamovs Text ein geschlossener Raum, die Zeit scheint stillzustehen und es sind nicht mehr die Gesetze des Lebens, sondern der Tod bestimmt das Verhalten der Charaktere. Der Tod ist kein Ereignis, sondern wie ein Name die Welt, in der wir uns befinden, wenn wir das Buch öffnen...

„Wir haben in Naumovs Konogon Karten gespielt. Die diensthabenden Wachen schauten nie in die Pferdebaracken und betrachteten zu Recht ihre Hauptaufgabe darin, die Sträflinge gemäß dem achtundfünfzigsten Artikel zu überwachen. Pferden wurde von den Konterrevolutionären in der Regel nicht vertraut. Zwar murrten die praktischen Aufseher im Stillen: Sie würden die besten und fürsorglichsten Arbeiter verlieren, aber die Anweisung in dieser Angelegenheit war eindeutig und streng. Mit einem Wort, die Konogons waren die sichersten von allen, und jede Nacht versammelten sich die Diebe dort zu ihren Kartenkämpfen.

In der rechten Ecke der Hütte waren auf den unteren Kojen bunte Wattedecken ausgebreitet. Am Eckpfosten war ein brennendes "Kolyma" befestigt - eine selbstgebaute Glühbirne mit Benzindampf. Drei oder vier offene Kupferrohre wurden in den Deckel der Dose gelötet - das ist alles Gerät. Um diese Lampe anzuzünden, wurde heiße Kohle auf den Deckel gelegt, Benzin erhitzt, Dampf stieg durch die Rohre auf und Benzingas brannte, angezündet durch ein Streichholz.

Auf den Decken lag ein schmutziges Daunenkissen, und zu beiden Seiten saßen „Partner“ mit angezogenen Beinen im burjatischen Stil – eine klassische Pose eines Gefängniskartenkampfes. Auf dem Kissen lag ein brandneues Kartenspiel. Dies waren keine gewöhnlichen Karten: Es war ein hausgemachtes Gefängnisdeck, das von den Meistern dieses Handwerks in ungewöhnlicher Geschwindigkeit hergestellt wurde ...

Die heutigen Karten wurden gerade aus einem Band von Victor Hugo ausgeschnitten - das Buch wurde gestern von jemandem im Büro vergessen ...

Ich und Garkunov, ein ehemaliger Textilingenieur, haben Brennholz für die Naumov-Kaserne gesägt ... "

In jeder von Shalamovs Kurzgeschichten gibt es eine klare Raumbezeichnung, und immer – immer ohne Ausnahme! - dieser Raum ist taub geschlossen. Man kann sogar sagen, dass die gravierende Isolation des Raums ein konstantes und anhaltendes Motiv der Arbeit des Schriftstellers ist.

Hier sind die Eröffnungszeilen, die den Leser in den Text einiger weniger Geschichten einführen:

„Rund um die Uhr war ein weißer Nebel von solcher Dichte, dass ein Mann zwei Schritte entfernt nicht zu sehen war. Es war jedoch nicht nötig, alleine weit zu gehen. Nur wenige Richtungen - eine Kantine, ein Krankenhaus, eine Schicht - wurden erraten, unbekannt als ein erworbener Instinkt, ähnlich dem Orientierungssinn, den Tiere voll besitzen und der unter geeigneten Bedingungen in einem Menschen aufwacht.

„Die Hitze in der Gefängniszelle war so groß, dass keine einzige Fliege zu sehen war. Riesige Fenster mit Eisengittern standen weit offen, aber das brachte keine Linderung - der heiße Asphalt des Hofes schickte heiße Luftwellen nach oben, und in der Zelle war es noch kühler als draußen. Alle Kleider wurden abgeworfen, und Hunderte von nackten Körpern voll schwerer, feuchter Hitze wälzten und drehten sich schweißtriefend auf dem Boden – es war zu heiß auf der Pritsche.

„Eine riesige Doppeltür öffnete sich und ein Händler betrat die Transithütte. Er stand in dem breiten Band des Morgenlichts, das vom blauen Schnee reflektiert wurde. Zweitausend Augenpaare sahen ihn von überall her an: von unten - von unter den Kojen, direkt, von der Seite, von oben - aus der Höhe der vierstöckigen Kojen, wo diejenigen, die noch Kraft hatten, die Leiter hinaufkletterten.

„Die „Kleine Zone“ ist ein Transfer, die „Große Zone“ ist das Lager der Bergbauverwaltung – endlose, gedrungene Kasernen, Gefängnisstraßen, ein dreifacher Stacheldrahtzaun, Wachtürme, die im Winter wie Vogelhäuschen aussehen. In der „Kleinen Zone“ gibt es noch mehr Türme, Burgen und Hecken …“.

Es scheint, dass es dort nichts Besonderes gibt: Wenn eine Person über das Lager und das Gefängnis schreibt, wo kann sie dann zumindest etwas Offenes bekommen! Alles ist so ... Aber vor uns ist kein Lager für sich. Vor uns liegt nur ein Text über das Lager. Und hier kommt es nicht auf den Schutz, sondern nur auf den Urheber an, wie genau der „künstlerische Raum“ organisiert wird. Was wird die Philosophie des Weltraums sein, wie wird der Autor den Leser dazu bringen, seine Höhe und Länge wahrzunehmen, wie oft wird er ihn dazu bringen, über Türme, Schleusen und Teufel nachzudenken, und so weiter und so weiter.

Die Literaturgeschichte kennt genügend Beispiele, wenn nach dem Willen des Autors ein Leben, das völlig geschlossen, geschlossen (auch in derselben Lagerzone) zu sein scheint, leicht mit einem Leben kommuniziert, das in anderen Grenzen fließt. Schließlich gibt es einige Wege vom Speziallager, in dem Solschenizyns Iwan Schuchow inhaftiert war, zu Schuchows Heimat Temgenevo. Es ist nichts, dass diese Pfade - auch für Shukhov selbst - nur gedanklich begehbar sind. Auf die eine oder andere Weise werden wir, nachdem wir all diese Wege gegangen sind (z. B. in Erinnerung an die Briefe, die wir zusammen mit dem Helden erhalten haben), etwas über das Leben von Ivans Familie und über Angelegenheiten auf der Kolchose und im Allgemeinen über das Land außerhalb erfahren Zone.

Und Ivan Denisovich selbst, obwohl er versucht, nicht an das zukünftige Leben zu denken - im heutigen würde er überleben -, ist er dennoch mit ihrem zukünftigen, wenn auch mit seltenen Briefen, verbunden und kann der Versuchung nicht widerstehen, kurz über das verlockende Geschäft nachzudenken , was sich nach Release lohnen würde - Teppiche nach Schablone zu bemalen. Mit Solschenizyn ist auch ein Mensch nicht allein im Lager, er lebt im Zusammenleben mit seinen Zeitgenossen im selben Land, in der Nachbarschaft der Menschheit, nach den Gesetzen der Menschheit - mit einem Wort, obwohl in tiefer Gefangenschaft, aber in die Welt der Menschen, eine Person lebt.

Ansonsten Schalamow. Der Abgrund trennt den Menschen von allem, was üblicherweise das Wort „Moderne“ genannt wird. Wenn hier ein Brief ankommt, soll er nur unter dem betrunkenen Gelächter des Aufsehers vernichtet werden, bevor er gelesen wird - sie erhalten keine Briefe nach dem Tod. Taub! In der anderen Welt nimmt alles jenseitige Bedeutungen an. Und der Brief vereint nicht, sondern – nicht empfangen – spaltet die Menschen weiter. Ja, was soll man über Buchstaben reden, wenn selbst der Himmel (wie wir uns bereits erinnerten) den Horizont nicht erweitert, aber Grenzen sein. Selbst Türen oder Tore werden, obwohl sie offen sein werden, den Raum nicht öffnen, sondern nur seine hoffnungslose Begrenzung betonen. Hier scheint man für immer vom Rest der Welt abgeschirmt und hoffnungslos allein zu sein. Es gibt kein Festland, keine Familie, keine freie Taiga auf der Welt. Auch auf den Kojen sitzt man nicht Seite an Seite mit einem Menschen – mit einem Toten. Sogar das Biest wird nicht lange bei Ihnen bleiben, und der Hund, an den er sich gebunden hat, wird von der Wache im Vorbeigehen erschossen ... Greifen Sie sogar nach einer Beere, die wächst außen diesen geschlossenen Raum - und dann fällst du tot um, die Wache wird nicht verfehlen:

„... voraus waren Hügel mit wilden Rosenbeeren und Blaubeeren und Preiselbeeren ... Wir haben diese Hügel vor langer Zeit gesehen ...

Rybakov deutete auf den noch nicht vollen Krug und die am Horizont untergehende Sonne und näherte sich langsam den verzauberten Beeren.

Ein Schuss knisterte trocken, und Rybakov fiel mit dem Gesicht nach unten zwischen die Bodenwellen. Seroshapka schwang sein Gewehr und rief:

"Lass es wo du bist, komm nicht in die Nähe!"

Seroshapka zog den Bolzen und feuerte erneut. Wir wussten, was dieser zweite Schuss bedeutete. Das wusste auch Seroschapka. Es sollte zwei Schüsse geben - der erste ist eine Warnung.

Rybakov lag zwischen den Unebenheiten unerwartet klein. Der Himmel, die Berge, der Fluss waren riesig, und Gott weiß, wie viele Menschen in diesen Bergen auf den Wegen zwischen den Hügeln liegen können.

Rybakovs Glas rollte weg, ich schaffte es, es aufzuheben und in meiner Tasche zu verstecken. Vielleicht geben sie mir Brot für diese Beeren...“.

Erst dann öffnen sich der Himmel, die Berge und der Fluss. Und nur für den, der fiel, vergrub sein Gesicht zwischen den Taiga-Unebenheiten. Befreit! Für einen anderen, einen Überlebenden, unterscheidet sich der Himmel immer noch nicht von den anderen Realitäten des Lagerlebens: Stacheldraht, Barackenmauern oder Zellen, bestenfalls harte Betten eines Lagerkrankenhauses, aber häufiger - Kojen, Kojen, Kojen - sind solche der wahre Kosmos von Shalamovs Kurzgeschichten.

Und hier, was ist der Kosmos, das ist die Leuchte:

"Eine schwache elektrische Sonne, verdreckt von Fliegen und mit einem runden Gitter gefesselt, war hoch über der Decke angebracht."

(Die Sonne, wie sie im Text von Kolyma Tales erscheint, könnte jedoch das Thema einer separaten, sehr umfangreichen Studie sein, und wir werden später Gelegenheit haben, auf dieses Thema einzugehen.)

Alles ist taub und geschlossen, und niemand darf gehen, und es gibt keinen Ausweg. Sogar die Verzweifelten, die es wagen zu fliehen – und wegzulaufen! - Mit unglaublichen Anstrengungen ist es möglich, die Grenzen der Grabwelt nur geringfügig zu erweitern, aber niemand hat es jemals geschafft, sie überhaupt zu durchbrechen oder zu öffnen.

In Kolyma Tales gibt es einen ganzen Zyklus von Kurzgeschichten über Fluchten aus dem Lager, vereint unter einem Titel: „The Green Prosecutor“. Und all das sind Geschichten über erfolglose Fluchten. Erfolgreich - nicht, dass es keine gäbe: Im Prinzip können sie es nicht sein. Und diejenigen, die geflohen sind - sogar diejenigen, die weit weg geflohen sind, irgendwo nach Jakutsk, Irkutsk oder sogar Mariupol -, bleiben immer gleich, als ob es eine Art dämonische Besessenheit wäre, wie das Laufen in einem Traum, immer in der Welt des Grabes und der Laufen geht immer weiter, dauert, und früher oder später kommt der Moment, in dem die weit gespannten Grenzen augenblicklich wieder zusammengezogen, in eine Schleife gezogen werden und ein Mensch, der sich frei glaubte, in den beengten Mauern erwacht einer Lagerstrafzelle ...

Nein, das ist nicht nur ein mit Stacheldraht eingezäunter Totraum oder Barackenmauern oder Landmarken in der Taiga, ein Raum, in den einige dem Untergang geweihte Menschen gefallen sind, sondern außerhalb dessen glücklichere Menschen nach anderen Gesetzen leben. Das ist die ungeheuerliche Wahrheit, dass alles das Scheint bestehende außerhalb Dieser Raum ist in der Tat beteiligt, in denselben Abgrund gezogen.

Es scheint, dass alle zum Scheitern verurteilt sind - alle im Land und vielleicht sogar auf der ganzen Welt. Hier ist eine Art monströser Trichter, der Gerechte und Diebe, Heiler und Aussätzige, Russen, Deutsche, Juden, Männer und Frauen, Opfer und Henker gleichermaßen einsaugt, einsaugt - alle, alle ohne Ausnahme! Deutsche Pastoren, holländische Kommunisten, ungarische Bauern... Keiner von Shalamovs Charakteren wird auch nur erwähnt - kein einziger! - von dem man sagen könnte, dass er definitiv außerhalb dieser Grenzen ist - und sicher ...

Der Mensch gehört nicht mehr der Epoche, der Gegenwart an, sondern nur noch dem Tod. Das Alter verliert jede Bedeutung, und der Autor gibt manchmal zu, dass er selbst nicht weiß, wie alt die Figur ist - und was der Unterschied ist! Jegliche Zeitperspektive geht verloren, und das ist ein weiteres, wichtigstes, sich ständig wiederholendes Motiv in Shalamovs Erzählungen:

„Die Zeit, als er Arzt war, schien sehr weit entfernt. Und gab es eine solche Zeit? Zu oft erschien ihm diese Welt jenseits der Berge, jenseits der Meere wie eine Art Traum, eine Erfindung. Das Wirkliche war eine Minute, eine Stunde, ein Tag vom Aufstehen bis zum Ausschalten der Lichter – er dachte nicht weiter, fand nicht die Kraft zum Nachdenken. Wie alle".

Wie alle anderen ... Es gibt keine Hoffnung, auch nicht für den Lauf der Zeit - es wird nicht retten! Im Allgemeinen ist die Zeit hier etwas Besonderes: Sie existiert, aber sie kann nicht in den üblichen Worten definiert werden - Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft: Morgen, sagen sie, werden wir besser sein, wir werden nicht da sein und nicht mehr so ​​wie gestern.. Nein, hier ist das Heute keineswegs ein Zwischenpunkt zwischen „gestern“ und „morgen“. „Heute“ ist ein sehr unbestimmter Teil dessen, was man das Wort nennt Stets. Oder ist es richtiger zu sagen - niemals...

Der grausame Schriftsteller Shalamov. Wohin führt es den Leser? Weiß er, wie er hier rauskommt? Er selbst weiß es jedoch anscheinend: Seine eigene kreative Vorstellungskraft hat es gewusst und daher überwunden die bedingte Raumschließung. Denn genau das behauptet er in seinen Notizen „On Prosa“:

„Die Kolyma-Geschichten sind ein Versuch, einige wichtige moralische Fragen der Zeit zu stellen und zu lösen, Fragen, die mit anderem Material einfach nicht gelöst werden können.

Die Frage nach der Begegnung von Mensch und Welt, der Kampf des Menschen mit der Staatsmaschinerie, die Wahrheit dieses Kampfes, der Kampf um sich selbst, in sich selbst und außerhalb. Ist es möglich, sein Schicksal aktiv zu beeinflussen, das von den Zähnen der Staatsmaschinerie, den Zähnen des Bösen, zermahlen wird? Illusorisch und Schwere der Hoffnung. Gelegenheit, sich auf andere Kräfte als die Hoffnung zu verlassen.“

Vielleicht ... eine Gelegenheit ... Ja, tatsächlich, gibt es sie, wo beispielsweise die Möglichkeit des Plünderns - das Herausziehen einer Leiche aus einem flachen Grab, kaum gesteinigt, das Ausziehen von Unterhose und Unterhemd - als großer Erfolg gilt: Leinen kann verkauft werden, gegen Brot eingetauscht, vielleicht sogar etwas Tabak besorgt werden? ("In der Nacht ").

Der im Grab ist tot. Aber sind die, die in der Nacht über seinem Grab sind, oder die in der Zone, in den Kasernen, auf den Etagenbetten, nicht tot? Ist ein Mensch ohne moralische Prinzipien, ohne Gedächtnis, ohne Willen nicht ein Toter?

„Ich habe vor langer Zeit gesagt, dass dies das Ende meines Lebens sein wird, wenn sie mich schlagen. Ich werde den Boss schlagen und sie werden mich erschießen. Leider war ich ein naiver Junge. Als ich schwächer wurde, schwächte sich auch mein Wille, mein Verstand. Ich überredete mich leicht zu ertragen und fand nicht die Kraft meiner Seele, mich zu rächen, Selbstmord zu begehen, zu protestieren. Ich war der gewöhnlichste Goner und lebte nach den Gesetzen der Psyche von Gonern.

Welche „moralischen Fragen“ lassen sich lösen, wenn man diesen verschlossenen Grabraum, diese für immer angehaltene Zeit beschreibt: über Schläge zu sprechen, die den Gang eines Menschen verändern, seine Plastizität; über Hunger, über Dystrophie, über die Kälte, die den Verstand beraubt; über Menschen, die nicht nur den Namen ihrer Frau vergessen haben, sondern die ihre eigene Vergangenheit völlig verloren haben; und wieder über Prügel, Mobbing, Hinrichtungen, die als Befreiung bezeichnet werden - je früher desto besser.

Warum müssen wir das alles wissen? Erinnern wir uns nicht an die Worte von Shalamov selbst:

„Andreev war der Repräsentant der Toten. Und sein Wissen, das Wissen einer toten Person, konnte ihnen, noch am Leben, nicht nützlich sein.

Grausamer Künstler Varlam Shalamov. Anstatt dem Leser sofort direkte Antworten, direkte, glückliche Ausgänge aus dem Abgrund des Bösen zu zeigen, versetzt uns Shalamov immer tiefer in diese abgeschlossene jenseitige Welt, in diese Tod, und verspricht nicht nur keine vorzeitige Veröffentlichung, sondern versucht anscheinend überhaupt nichts zu geben - zumindest im Text.

Aber wir leben nicht mehr ohne Ahnung. Wir werden ernsthaft in diesen hoffnungslosen Raum hineingezogen. Hier kommt man nicht umhin, vom Dokumentarischen zu sprechen, und damit von den temporären, vorübergehenden Problemen von Geschichten. Lass es keinen Stalin und Beria geben, und die Ordnung in Kolyma hat sich geändert ... aber die Geschichten, hier sind sie, leben weiter. Und wir leben in ihnen zusammen mit den Charakteren. Wer wird sagen, dass die Probleme von "Krieg und Frieden" jetzt beseitigt sind - aufgrund der Ferne der Ereignisse von 1812? Wer legt Dantes Tencins beiseite, weil ihr dokumentarischer Hintergrund, wie sie sagen, längst an Relevanz verloren hat?

Die Menschheit kann nicht anders existieren, als indem sie die großen Geheimnisse großer Künstler löst. Und wir können unser eigenes Leben nicht verstehen, das weit von der Kolyma-Realität entfernt zu sein scheint – wir können es nicht verstehen, ohne das Rätsel von Shalamovs Texten zu lösen.

Hören wir nicht auf halbem Weg auf.

Es scheint, dass wir nur noch eine Chance haben, aus dem Abgrund von Shalamovs Welt zu entkommen – die einzige, aber wahre und von der Literaturkritik gut erworbene Methode: über die literarischen Tatsachen hinauszugehen und uns den Tatsachen der Geschichte, Soziologie und Politik zuzuwenden . Dieselbe Gelegenheit, die Vissarion Belinsky vor hundertfünfzig Jahren der russischen Literaturkritik vorgeschlagen hat und die seitdem mehr als eine Generation von Literaturwissenschaftlern und -kritikern genährt hat: die Gelegenheit, ein literarisches Werk eine „Enzyklopädie“ einer Art Leben und damit zu nennen sich das Recht sichern, es so oder so zu interpretieren, je nachdem, wie wir „das Leben“ selbst und jene historische „Phase“ seiner Entwicklung verstehen, in die uns der Kritiker gemeinsam mit dem Autor stellt.

Diese Möglichkeit ist umso verlockender, als Shalamov selbst in einem seiner Selbstkommentare von der Staatsmaschinerie spricht, in einem anderen im Zusammenhang mit den Kolyma-Erzählungen an die historischen Ereignisse dieser Zeit erinnert – Kriege, Revolutionen, die Brände von Hiroshima ... Vielleicht, wenn wir die Kolyma-Realität in den historischen Kontext einweben, wird es für uns einfacher, den Schlüssel zu Shalamovs Welt zu finden? Es gab so eine Zeit: Revolutionen, Kriege, Brände – sie holzen den Wald ab, die Späne fliegen. Wie dem auch sei, wir analysieren den geschriebenen Text nach hinter realen Ereignissen, keine Fiktion des Autors, keine Fantasie. Nicht einmal eine künstlerische Übertreibung. Es lohnt sich, sich noch einmal daran zu erinnern: Es gibt nichts in dem Buch, das nicht dokumentarische Beweise finden würde. Wo hat Varlam Shalamov eine so geschlossene Welt gefunden? Schließlich informieren uns andere Autoren, die über Kolyma geschrieben haben, zuverlässig über die normalen, natürlichen oder, wie Psychologen sagen, „angemessenen“ Reaktionen von Gefangenen auf historische Ereignisse, die gleichzeitig mit den schrecklichen Ereignissen des Lebens von Kolyma stattfanden. Niemand hat aufgehört, ein Mann seiner Zeit zu sein. Kolyma war nicht von der Welt und der Geschichte abgeschnitten:

„- Deutsche! Faschisten! Über die Grenze gegangen...

Unser Rückzug...

- Kann nicht sein! Wie viele Jahre wiederholten sie immer wieder: „Wir werden unser Land nicht einmal fünf aufgeben!“

Elgenkaserne schläft nicht bis zum Morgen...

Nein, wir sind jetzt keine Säger, wir sind keine Fahrer von der Konvoibasis, wir sind keine Kindermädchen von der Kinderfabrik. Mit außergewöhnlicher Helligkeit erinnerten sie sich plötzlich an „Wer ist wer“ ... Wir streiten, bis wir heiser sind. Wir versuchen, eine Perspektive zu bekommen. Nicht ihre eigenen, aber allgemein. Menschen, entweiht, gequält von vier Jahren des Leidens, erkennen wir uns plötzlich als Bürger unseres Landes. Für sie, für unser Vaterland zittern wir jetzt, ihre verstoßenen Kinder. Jemand hat sich schon Papier besorgt und schreibt mit einem Bleistiftstummel: „Bitte leiten Sie mich zum gefährlichsten Abschnitt der Front. Ich bin seit meinem sechzehnten Lebensjahr Mitglied der Kommunistischen Partei …“

(E. Ginzburg. Steep route. N.-Y. 1985, Buch 2, S. 17)

Ach, sagen wir gleich, Shalamov lässt uns nicht einmal diese letzte Chance. Nun ja, er erinnert sich an historische Ereignisse ... aber wie!

„Mir scheint, dass eine Person der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, eine Person, die Kriege, Revolutionen, die Brände von Hiroshima, die Atombombe, Verrat und die wichtigste Krönung aller(Hervorhebung von mir.— LT), - die Schande von Kolyma und die Öfen von Auschwitz, Mann ... - und schließlich sind alle Verwandten entweder im Krieg oder im Lager gestorben - ein Mensch, der die wissenschaftliche Revolution überlebt hat, kommt einfach nicht umhin, Kunstfragen anders anzugehen als vorher.

Natürlich haben sowohl der Autor der Kolyma Tales als auch seine Charaktere nicht aufgehört, Menschen ihrer Zeit zu sein, natürlich gibt es in Shalamovs Texten sowohl eine Revolution als auch einen Krieg und eine Geschichte über den „siegreichen“ Mai 1945 . .. Aber in allen Fällen erweisen sich alle historischen Ereignisse - große und kleine - nur als unbedeutende Alltagsepisode in einer Reihe anderer Ereignisse, das wichtigste- Lager.

„Hören Sie“, sagte Stupnitsky, „die Deutschen haben Sewastopol, Kiew und Odessa bombardiert.

Andreev hörte höflich zu. Die Nachricht klang wie die Nachricht von einem Krieg in Paraguay oder Bolivien. Was hat es mit Andreev auf sich? Stupnitsky ist voll, er ist Vorarbeiter - deshalb interessiert er sich für Dinge wie Krieg.

Grisha Grek, der Dieb, kam herauf.

- Was sind Automaten?

- Weiß nicht. Wie Maschinengewehre, schätze ich.

„Ein Messer ist schlimmer als jede Kugel“, sagte Grischa belehrend.

- Richtig, - sagte Boris Iwanowitsch, ein Häftlingschirurg, - ein Messer im Magen ist eine sichere Infektion, es besteht immer die Gefahr einer Bauchfellentzündung. Eine Schusswunde ist besser, sauberer...

„Ein Nagel ist am besten“, sagte Grischa Grek.

- Aufstehen!

In Reihen aufgereiht, ging von der Mine zum Lager ... ".

Also sprachen wir über den Krieg. Was hat ein Häftling davon?.. Und es geht hier nicht um irgendwelche biografischen Beleidigungen des Autors, der aufgrund eines Justizirrtums von der Teilnahme am Hauptereignis unserer Zeit suspendiert wurde, - nein, darum geht es Der Autor ist überzeugt, dass es sein tragisches Schicksal war, das ihn zum Zeugen der Hauptereignisse gemacht hat. Kriege, Revolutionen, selbst die Atombombe sind nur private Gräueltaten der Geschichte – bisher ungesehen in Jahrhunderten und Jahrtausenden, grandios Verschütten des Bösen.

Egal wie stark es ist - bis hin zum Vorurteil! - die Gewohnheit des russischen öffentlichen Bewusstseins, mit den Kategorien der Dialektik zu operieren, hier sind sie machtlos. Kolyma-Geschichten wollen nicht in das allgemeine Gefüge der "historischen Entwicklung" eingewoben werden. Keine politischen Fehler und Missbräuche, keine Abweichungen vom historischen Weg können den allumfassenden Sieg des Todes über das Leben erklären. Im Maßstab dieses Phänomens sind alle möglichen Stalins, Berias und andere nur Figuranten, nicht mehr. Größer als Lenins Idee hier ...

Nein, die Realität von Shalamovs Welt ist nicht die "Realität des historischen Prozesses" - sie sagen, gestern war es so, morgen wird es anders sein ... Hier ändert sich nichts "im Laufe der Zeit", nichts verschwindet von hier , nichts geht ins Nichts, denn die Welt von „Kolyma Tales“ ist sie selbst Nichts. Und deshalb ist sie einfach weiter als jede denkbare historische Realität und kann nicht durch den „historischen Prozess“ geschaffen werden. Aus diesem Nichts kann man nirgendwohin zurückkehren, nichts auferstehen. Ein idyllisches Ende wie in "Krieg und Frieden" ist hier undenkbar. Es gibt keine Hoffnung, dass es irgendwo ein anderes Leben gibt. Alles ist hier, alles wird in die dunklen Tiefen gezogen. Und der „historische Prozess“ selbst mit all seinen „Phasen“ kreist langsam im Trichter der Lager-, Gefängniswelt.

Um einen wie auch immer gearteten Exkurs in die jüngere Geschichte zu machen, müssen der Autor und seine Figuren nicht über Lagerzaun oder Gefängnisgitter hinausstreben. Die ganze Geschichte ist in der Nähe. Und das Schicksal eines jeden Lagerinsassen oder Zellengenossen ist ihre Krone, sie Hauptveranstaltung.

„Gefangene halten sich während der Verhaftung anders. Das Misstrauen einiger zu brechen ist eine sehr schwierige Aufgabe. Allmählich gewöhnen sie sich Tag für Tag an ihr Schicksal, sie beginnen etwas zu verstehen.

Alekseev war von einer anderen Sorte. Es war, als hätte er viele Jahre geschwiegen – und nun gab ihm die Verhaftung, die Gefängniszelle die Gabe der Sprache zurück. Er fand hier eine Gelegenheit, das Wichtigste zu verstehen, den Lauf der Zeit zu erraten, sein eigenes Schicksal zu erraten und zu verstehen, warum. Eine Antwort auf dieses riesige, riesige „Warum“ zu finden, das über seinem ganzen Leben und Schicksal, und nicht nur über seinem Leben und Schicksal, sondern auch über Hunderttausenden anderen, schwebt.

Die Möglichkeit, eine Antwort zu finden, erscheint, weil der "Lauf der Zeit" angehalten hat, das Schicksal endet, wie es sollte - mit dem Tod. Auf dem Jüngsten Gericht schweben Revolutionen, Kriege, Hinrichtungen in die Gefängniszelle, und erst ein Vergleich mit dem Nichtsein, mit der Ewigkeit verdeutlicht ihre wahre Bedeutung. Von diesem Punkt an hat die Geschichte eine umgekehrte Perspektive. Überhaupt ist nicht die Nichtexistenz selbst die letzte Antwort – die einzige schreckliche Antwort, die wir nur aus dem gesamten Verlauf des „historischen Prozesses“ herausziehen können, eine Antwort, die den Einfältigen, von listigen Agitatoren hinters Licht geführt, zur Verzweiflung treibt und zur Verzweiflung bringt wer diese Fähigkeit noch nicht verloren hat:

„... Alekseev befreite sich plötzlich, sprang auf die Fensterbank, packte die Gefängnisstangen mit beiden Händen und schüttelte sie, schüttelte sie, fluchte und knurrte. Der schwarze Körper von Alekseev hing wie ein riesiges schwarzes Kreuz am Gitter. Die Gefangenen rissen Alekseevs Finger von den Stangen, bogen seine Handflächen auf, beeilten sich, weil der Wachposten auf dem Turm bereits die Aufregung am offenen Fenster bemerkt hatte.

Und dann sagte Alexander Grigoryevich Andreev, Generalsekretär der Gesellschaft der politischen Gefangenen, und zeigte auf einen schwarzen Körper, der von den Gitterstäben rutschte:

Shalamovs Realität ist ein künstlerisches Faktum besonderer Art. Der Schriftsteller selbst hat wiederholt erklärt, er strebe nach einer neuen Prosa, nach der Prosa der Zukunft, die nicht für den Leser, sondern für das Material selbst sprechen werde – „Stein, Fisch und Wolke“, in der Sprache des Materials. (Der Künstler ist kein Beobachter, der Ereignisse studiert, sondern ihr Teilnehmer, ihr Zeuge- in der christlichen Bedeutung dieses Wortes, das gleichbedeutend mit dem Wort ist Märtyrer). Der Künstler - "Pluto, der aus der Hölle auferstanden ist, und nicht Orpheus, der in die Hölle hinabsteigt" ("On Prosa") Und der Punkt ist nicht, dass es vor Shalamov keinen Meister gab, der in der Lage war, eine solche kreative Aufgabe zu bewältigen, sondern das dort Noch auf Erden war kein „das wichtigste, alles krönende“ Übel. Und erst jetzt, als das Böse alle bisherigen schlauen Hoffnungen auf den endgültigen Sieg des menschlichen Geistes in seiner historischen Entwicklung verschluckt hatte, konnte der Künstler mit Recht erklären:

"Es gibt keine rationale Grundlage für das Leben - das beweist unsere Zeit."

Aber das Fehlen einer vernünftigen (also logisch erklärbaren) Lebensgrundlage bedeutet nicht das Fehlen dessen, was wir eigentlich suchen – die Wahrheit in den Texten des Künstlers. Diese Wahrheit ist anscheinend nicht dort, wo wir sie zu suchen gewohnt sind: nicht in rationalen Theorien, die das Leben „erklären“, und nicht einmal in moralischen Maximen, die so gewohnheitsmäßig interpretieren, was gut und was böse ist. Wie nah liegen die Konzepte beieinander? Logik Leben und Harmonie Frieden? Vielleicht wird vor dem Hintergrund der Kolyma-Nacht nicht das irdische Wort "Logik" leuchten, sondern das göttliche - LOGOS?

Laut Mikhail Geller, der die vollständigste Ausgabe von Kolyma Tales herausgegeben hat, wurde zusammen mit Shalamovs Texten ein Brief von Frida Vigdorova an Shalamov im Samizdat verbreitet:

„Ich habe deine Geschichten gelesen. Sie sind die brutalsten, die ich je gelesen habe. Die bittersten und gnadenlosesten. Es gibt Menschen ohne Vergangenheit, ohne Biografie, ohne Erinnerungen. Es heißt, dass Widrigkeiten die Menschen nicht zusammenbringen. Dass dort eine Person nur an sich selbst denkt, daran, wie man überlebt. Aber warum schließen Sie das Manuskript mit dem Glauben an Ehre, Güte, Menschenwürde? Es ist mysteriös, ich kann es nicht erklären, ich weiß nicht, wie es funktioniert, aber es ist so.

Erinnern Sie sich an das mysteriöse Wirbeln der Schellackplatte und die Musik am Ende der Geschichte „Sentence“? Woher kommt das? Das Sakrament, in das uns Shalamov einführt, ist die Kunst. Und Vigdorova hatte Recht: begreifen dieses Sakrament wird niemandem vollständig gegeben. Aber dem Leser wird etwas anderes gegeben: indem er sich dem Abendmahl anschließt, bemüht er sich, sich selbst zu verstehen. Und das ist möglich, weil nicht nur die Ereignisse der Geschichte, sondern wir alle - die Lebenden, die Toten und noch nicht Geborenen - alle Figuren in Shalamovs Geschichten, die Bewohner seiner mysteriösen Welt. Schauen wir uns dort einmal selbst an. Wo sind wir da? Wo ist unser Platz? Das Finden eines einfachen Menschen seines Selbst im Glanz der Kunst gleicht der Materialisierung des Sonnenlichts ...

„Ein Strahl aus roten Sonnenstrahlen wurde durch die Bindung der Gefängnisgitter in mehrere kleinere Balken geteilt; Irgendwo in der Mitte der Kammer verschmolzen wieder Lichtstrahlen zu einem kontinuierlichen Strom, rot und golden. Staubpartikel waren in diesem Lichtstrahl dicht golden. Die Fliegen, die in den Lichtstreifen fielen, wurden selbst golden wie die Sonne. Die Strahlen des Sonnenuntergangs schlagen direkt auf die Tür, die mit grau glänzendem Eisen gebunden ist.

Das Schloss klirrte, ein Geräusch, das jeder wache und schlafende Gefangene zu jeder Stunde in einer Gefängniszelle hört. Es gibt kein Gespräch in der Kammer, das dieses Geräusch übertönen könnte, es gibt keinen Schlaf in der Kammer, der von diesem Geräusch ablenken würde. Es gibt keinen solchen Gedanken in der Kammer, der... Niemand kann sich auf irgendetwas konzentrieren, um diesen Ton zu verpassen, ihn nicht zu hören. Jedem bleibt das Herz stehen, wenn er das Geräusch des Schlosses hört, das Klopfen des Schicksals an der Zellentür, an Seelen, an Herzen, an Gedanken. Dieses Geräusch erfüllt alle mit Angst. Und es kann mit keinem anderen Geräusch verwechselt werden.

Das Schloss rasselte, die Tür öffnete sich, und ein Strahl von Strahlen entwich der Kammer. Durch die offene Tür wurde deutlich, wie die Strahlen den Korridor durchquerten, durch das Korridorfenster stürmten, über den Gefängnishof flogen und an den Fensterscheiben eines anderen Gefängnisgebäudes einschlugen. All dies konnten alle sechzig Bewohner der Zelle in der kurzen Zeit, in der die Tür geöffnet war, sehen. Die Tür schlug mit einem melodischen Klang zu wie bei alten Truhen, wenn der Deckel zugeschlagen wird. Und sofort erkannten alle Gefangenen, die eifrig dem Wurf des Lichtstrahls, der Bewegung des Strahls folgten, als ob es ein lebendiges Wesen wäre, ihr Bruder und Kamerad, dass die Sonne wieder mit ihnen eingeschlossen war.

Und erst dann sahen alle, dass ein Mann an der Tür stand, der auf seiner breiten schwarzen Brust einen Strom goldener Sonnenstrahlen aufnahm und im grellen Licht die Augen zusammenkniff.

Wir wollten in Shalamovs Geschichten über die Sonne sprechen. Jetzt ist es Zeit dafür.

Die Sonne der Kolyma Tales, egal wie hell und heiß sie manchmal sein mag, ist immer die Sonne der Toten. Und neben ihm sind immer andere Koryphäen, viel wichtiger:

„Es gibt wenige Brillen, die so ausdrucksstark sind wie die vom Alkohol geröteten, bulligen, übergewichtigen, fettschweren Gestalten der Lagerleitung in brillanten, wie eine Sonne(im Folgenden Kursivschrift von mir. — LT), nagelneue, stinkende Schaffellmäntel ...

Fedorov ging am Gesicht entlang, fragte etwas, und unser Vorarbeiter verbeugte sich respektvoll und meldete etwas. Fjodorow gähnte, und seine goldenen, gut reparierten Zähne spiegelten sich Sonnenstrahlen. Die Sonne stand schon hoch …“.

Wenn diese hilfreiche Sonne der Wärter untergeht oder der regnerische Herbstdunst sie überschattet oder ein undurchdringlicher frostiger Nebel aufsteigt, bleibt dem Gefangenen nur die bereits bekannte „schummerige elektrische Sonne, von Fliegen verschmutzt und mit einem runden Gitter verkettet .. .“

Man könnte sagen, dass der Mangel an Sonnenlicht ein rein geografisches Merkmal der Region Kolyma ist. Aber wir haben bereits festgestellt, dass uns die Geographie in den Geschichten von Shalamov nichts erklären kann. Es geht nicht um saisonale Änderungen der Sonnenauf- und -untergangszeiten. Der Punkt ist nicht, dass es nicht genug Wärme und Licht auf dieser Welt gibt, der Punkt ist, dass es nicht gibt Bewegungen von Dunkelheit zu Licht oder umgekehrt. Es gibt kein Licht der Wahrheit und es ist nirgends zu finden. Es gibt keine rationalen Ursachen und keine logischen Konsequenzen. Es gibt keine Gerechtigkeit. Anders als etwa in Dantes Hölle tragen die hier eingesperrten Seelen keine vernünftigen Strafen, sie kennen ihre eigene Schuld nicht, und daher kennen sie weder Reue noch die Hoffnung, jemals ihre Position ändern zu können, nachdem sie für ihre Schuld gesühnt haben. ..

„Der verstorbene Alighieri hätte daraus den zehnten Höllenkreis geschaffen“, sagte Anna Achmatowa einmal. Und nicht nur sie neigte dazu, die russische Realität des 20. Jahrhunderts mit den Schreckensbildern Dantes in Beziehung zu setzen. Aber bei einem solchen Verhältnis wurde es jedes Mal offensichtlich, dass die letzten Schrecken, die des Lagers, stärker waren als die scheinbaren äußerst Möglich für den größten Künstler des XIV. Jahrhunderts - und Sie können es nicht mit neun Kreisen abdecken. Und anscheinend, nachdem Achmatowa dies verstanden hat, sucht sie in den bereits geschaffenen literarischen Texten nicht nach etwas Ähnlichem, sondern beschwört das Genie von Dante herauf, bringt ihn näher, macht ihn zu einem kürzlich verstorbenen Zeitgenossen und nennt ihn "den verstorbenen Alighieri" - und, es scheint, nur ein solcher Zeitgenosse kann alles verstehen, was die Menschheit in letzter Zeit erlebt hat.

Es geht natürlich nicht darum, einer rationalen, sogar numerischen Reihenfolge zu folgen, in der uns die neun Kreise der Hölle erscheinen, dann sieben - Fegefeuer, dann neun himmlische Himmel ... Es sind die offenbarten rationalen Vorstellungen über die Welt Durch den Text der Göttlichen Komödie wird die Struktur dieses Textes in Frage gestellt, wenn nicht sogar durch die Erfahrung des 20. Jahrhunderts vollständig widerlegt. Und in diesem Sinne ist die Weltanschauung von Varlam Shalamov eine direkte Ablehnung der philosophischen Ideen von Dante Alighieri.

Denken Sie daran, dass die Sonne in der geordneten Welt der Göttlichen Komödie eine wichtige Metapher ist. Und die „fleischliche“ Sonne, in deren Tiefen die Seelen der Philosophen und Theologen (König Salomo, Thomas von Aquin, Franz von Assisi) strahlen, strahlende Flammen und die „Sonne der Engel“, wie der Herr erscheint zu uns. Auf die eine oder andere Weise sind Sonne, Licht, Vernunft poetische Synonyme.

Aber wenn in Dantes poetischem Bewusstsein die Sonne niemals verblasst (selbst in der Hölle, wenn ringsum dichte Dunkelheit herrscht), wenn der Weg von der Hölle der Weg zu den Gestirnen ist und der Held, nachdem er zu ihnen gegangen ist, gelegentlich tut Vergessen Sie nicht zu beachten, wie und in welche Richtung sein Schatten liegt, denn in der künstlerischen Welt von Shalamov gibt es weder Licht noch Schatten, es gibt keine vertraute und allgemein verständliche Grenze zwischen ihnen. Hier zum größten Teil dichtes totes Zwielicht - ein Zwielicht ohne Hoffnung und ohne Wahrheit. Im Allgemeinen ist es ohne Lichtquelle für immer verloren (und war es das?). Und hier gibt es keinen Schatten, weil es kein Sonnenlicht gibt - im üblichen Sinne dieser Worte. Die Gefängnissonne, die Lagersonne der Kolyma-Geschichten sind überhaupt nicht dasselbe, Sonne. Sie ist hier nicht als natürliche Licht- und Lebensquelle vorhanden. für alle, aber als eine Art sekundäres Inventar, wenn es nicht zum Tod gehört, dann hat es nichts mit dem Leben zu tun.

Nein, schließlich kommt ein Moment – ​​selten, aber immer noch –, wenn die helle und manchmal heiße Sonne in die Welt des Kolyma-Gefangenen einbricht. Es scheint jedoch nie für alle. Aus dem trüben Zwielicht der Lagerwelt, wie ein starker Strahl, der von irgendwo draußen gerichtet ist, schnappt es immer eine Figur von jemandem (sagen wir, den „ersten Tschekisten“ Alekseev, der uns bereits bekannt ist) oder jemandes Gesicht, das sich in den Augen von jemandem widerspiegelt eine Person. Und immer – immer! - dies ist die Figur oder das Gesicht oder die Augen der endgültig Verdammten.

„...ich war ganz ruhig. Und ich hatte keine Eile. Die Sonne war zu heiß – sie brannte ihre Wangen, entwöhnt von hellem Licht, von frischer Luft. Ich setzte mich neben einen Baum. Es war schön, draußen zu sitzen, die elastische wunderbare Luft einzuatmen, den Duft von blühenden Hagebutten. Mein Kopf dreht sich...

Ich war mir der Härte des Urteils sicher – Töten war eine Tradition jener Jahre.

Obwohl wir hier zweimal dieselbe Geschichte zitiert haben, ist die Sonne, die das Gesicht des dem Untergang geweihten Gefangenen erhellt, keineswegs die gleiche, die sich einige Seiten zuvor in den Mänteln der Wärter und in den goldenen Zähnen der Gefangenen spiegelte Wachen. Dieses ferne, wie überirdische Licht, das auf das Gesicht eines sterbensbereiten Menschen fällt, ist uns aus anderen Erzählungen gut bekannt. Es liegt ein gewisser Frieden darin, vielleicht ein Zeichen der Versöhnung mit der Ewigkeit:

„Der Flüchtling lebte ganze drei Tage im Badehaus des Dorfes, und schließlich wurde er, geschoren, rasiert, gewaschen, wohlgenährt, von der „Agentin“ zu einer Untersuchung abgeführt, deren Ergebnis nur die Hinrichtung sein konnte. Der Flüchtling selbst wusste natürlich davon, aber er war ein erfahrener, gleichgültiger Häftling, der im Gefängnis längst jene Lebenslinie überschritten hatte, wo jeder Mensch zum Fatalisten wird und „mit dem Strom“ lebt. In seiner Nähe waren die ganze Zeit Eskorten, „Wächter“, sie ließen ihn mit niemandem sprechen. Jeden Abend saß er auf der Veranda des Badehauses und betrachtete den kirschroten Sonnenuntergang. Das Feuer der Abendsonne rollte in seine Augen, und die Augen des Flüchtigen schienen zu brennen – ein sehr schöner Anblick.

Natürlich könnten wir uns der christlichen poetischen Tradition zuwenden und sagen, dass dieses gerichtete Licht der Liebe die Seele trifft, die diese Welt verlässt ... Aber nein, wir erinnern uns sehr gut an Shalamovs Aussage: "Gott ist tot ..." Und noch etwas :

„Ich habe vor langer Zeit im Alter von sechs Jahren den Glauben an Gott verloren ... Und ich bin stolz darauf, dass ich im Alter von sechs bis sechzig Jahren weder in Wologda noch in Moskau noch in Kolyma auf seine Hilfe zurückgegriffen habe. ”

Und doch, trotz dieser Behauptungen, die Abwesenheit von Gott im künstlerischen Bild jenseitig Die Kolyma-Welt ist keineswegs eine einfache und selbstverständliche Tatsache. Dieses Thema mit seinen Widersprüchen stört den Autor ständig, erregt immer wieder Aufmerksamkeit. Es gibt keinen Gott ... aber es gibt Gläubige an Gott, und es stellt sich heraus, dass dies die würdigsten Menschen von denen sind, die sich in Kolyma treffen mussten:

„Die Nicht-Religiosität, in der ich mein bewusstes Leben führte, machte mich nicht zu einem Christen. Aber ich habe nie mehr würdige Menschen als religiöse Menschen in den Lagern gesehen. Die Korruption ergriff die Seelen aller, und nur die Religiösen hielten daran fest. Das war also vor fünfzehn und fünf Jahren.“

Aber gleichzeitig geht Shalamov, nachdem er über die spirituelle Ausdauer der "Religiösen" gesprochen hat, sozusagen vorbei, ohne viel Aufmerksamkeit auf die Natur dieser Ausdauer zu richten, als ob ihm alles klar wäre (und vermutlich an den Leser) und diese Art des "Festhaltens" interessiert ihn wenig. . („Gibt es nur einen religiösen Ausweg aus menschlichen Tragödien?“, fragt der Heldenerzähler in der Erzählung „Die Unbekehrten“).

Darüber hinaus entfernt Shalamov wie mit einer speziell kalkulierten Methode traditionelle Vorstellungen von Gott und Religion aus seinem künstlerischen System. Genau diesem Ziel dient die Geschichte „Das Kreuz“ – eine Geschichte über einen alten blinden Priester, obwohl er nicht in Kolyma und nicht einmal in einem Lager lebt, aber immer noch unter denselben sowjetischen Bedingungen ständiger Entbehrung, Demütigung, direkt Mobbing. Mit der gleichen alten und kranken Frau wie er zurückgelassen, völlig ohne Geld, bricht der Priester, schneidet ein goldenes Kreuz zum Verkauf. Aber nicht, weil er seinen Glauben verloren hätte, sondern weil „Gott nicht darin ist“. Die Geschichte scheint weder von der Kulisse noch von der Handlung her zu den „Kolyma Tales“ zu gehören, aber der Autor hat sie nach einem subtilen künstlerischen Kalkül in den Gesamtkorpus aufgenommen und erweist sich als äußerst wichtig in der Komposition des Bandes . Am Eingang zur anderen Welt ist es wie ein Verbotszeichen für alle traditionellen humanistischen Werte, einschließlich der christlichen. Wenn gesagt wird, dass es in diesem Leben keine rationale Grundlage gibt, ist damit auch der Göttliche Geist gemeint – oder überhaupt ein solcher Geist!

Aber gleichzeitig ist hier eine ganz andere Wendung des Themas: Einer der lyrischen Helden von Shalamov, ein unbestrittenes Alter Ego, heißt Krist. Wenn der Autor nach einem „nicht-religiösen Ausweg“ sucht, was genau zieht ihn dann am Menschensohn an? Wird hier an ein erlösendes Opfer gedacht? Und wenn ja, wessen Opfer ist dann der Autor, der Held, all die, die in Kolyma gestorben sind? Und für welche Sünden wird gesühnt? Ist es nicht die gleiche Versuchung, seit Dantes Zeiten (oder noch älter – aus der Zeit des heiligen Augustinus, oder sogar aus Platons, vorchristlicher Zeit?) eine gerechte – nach menschlichem Verständnis faire – Weltordnung aufzubauen – a Versuchung, die zur „Schande von Kolyma und den Öfen von Auschwitz“ wurde?

Und wenn wir von Erlösung sprechen, dann „in wessen Namen“? Wem, wenn nicht Gott im künstlerischen System von Varlam Shalamov?

Wir sprechen nicht über eine gewöhnliche Person, nicht über die religiösen Ansichten eines der Tausenden von Kolyma-Bewohnern, die herausfinden, wer in den Lagern leichter zu überleben war - ein "Religiöser" oder ein Atheist. Nein, wir interessieren uns für die kreative Methode des Künstlers, des Autors von Kolyma Tales.

Shalamov schrieb, als ob er Einwände gegen die Zweifler oder diejenigen erheben würde, die diesen Triumph nicht sehen konnten. Aber wenn das Gute siegt, was ist es dann, dieses sehr Gute? Es ist keine Wissenschaft, seine Fliege im Kolyma-Frost zu befestigen! ..

Shalamov lehnt die literarische Tradition mit all ihren Grundwerten bewusst ab. Wenn im Zentrum der künstlerischen Welt von Dante Alighieri das Licht des göttlichen Geistes steht und diese Welt rational, logisch, fair arrangiert ist und die Vernunft triumphiert, dann im Zentrum von Shalamovs künstlerischem System ... ja, jedoch, gibt es hier überhaupt etwas, was man nennen könnte Center, systembildender Anfang? Schalamow lehnt sozusagen alles ab, was er ihm als solches anbietet begann literarische Tradition: der Gottesbegriff, die Idee einer vernünftigen Weltordnung, Träume von sozialer Gerechtigkeit, die Logik des Rechts … Was bleibt einem Menschen, wenn ihm nichts bleibt? Was bleibt Künstler als die tragischen Erfahrungen des vergangenen Jahrhunderts die ideologischen Grundlagen der traditionellen Kunst für immer begruben? Was neue Prosa er wird dem Leser anbieten - ist er verpflichtet, anzubieten?!

„Warum kann ich, ein Profi, der seit seiner Kindheit schreibt, seit Anfang der dreißiger Jahre veröffentlicht und zehn Jahre lang über Prosa nachgedacht hat, der Geschichte von Tschechow, Platonow, Babel und Soschtschenko nichts Neues hinzufügen? Shalamov schrieb und stellte dieselben Fragen, die uns jetzt quälen. - Die russische Prosa hörte nicht bei Tolstoi und Bunin auf. Der letzte große russische Roman ist Belys Petersburg. Aber Petersburg, so kolossal sein Einfluss auf die russische Prosa der zwanziger Jahre, auf die Prosa von Pilnyak, Samjatin, Vesely, ist auch nur eine Etappe, nur ein Kapitel der Literaturgeschichte. Und in unserer Zeit ist der Leser von der russischen klassischen Literatur enttäuscht. Der Zusammenbruch ihrer humanistischen Ideen, das historische Verbrechen, das zu den stalinistischen Lagern führte, zu den Öfen von Auschwitz, bewies, dass Kunst und Literatur Null sind. Konfrontiert mit dem wirklichen Leben ist dies das Hauptmotiv, die Hauptfrage nach der Zeit. Die wissenschaftliche und technologische Revolution beantwortet diese Frage nicht. Sie kann nicht antworten. Der probabilistische Aspekt und die Motivation geben vielseitige, mehrwertige Antworten, während der menschliche Leser eine Ja- oder Nein-Antwort braucht, wobei dasselbe zweiwertige System verwendet wird, das die Kybernetik auf das Studium der gesamten Menschheit in ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Gegenwart anwenden möchte Zukunft.

Es gibt keine rationale Grundlage für das Leben – das beweist unsere Zeit. Dass Tschernyschewskis „Lieblinge“ für fünf Kopeken verkauft werden und damit Altpapier aus Auschwitz eingespart wird, hat einen hohen Symbolwert. Chernyshevsky endete, als sich die hundertjährige Ära vollständig diskreditierte. Wir wissen nicht, was hinter Gott ist – hinter dem Glauben, aber hinter dem Unglauben sehen wir klar – jeder auf der Welt – was es wert ist. Daher ein solches Verlangen nach Religion, überraschend für mich, der Erbe ganz anderer Anfänge.

Der Vorwurf, den Shalamov der Literatur humanistischer Ideen macht, hat einen tiefen Sinn. Und diesen Vorwurf verdiente nicht nur die russische Literatur des 19. Jahrhunderts, sondern auch die gesamte europäische Literatur - manchmal christlich in äußeren Zeichen (naja, schließlich heißt es: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst), aber verführerisch in seinem Wesen, die Tradition der Träume, die immer auf eines hinauslief: Gott wegzunehmen und in die Hände der menschlichen Geschöpfe der Geschichte zu überführen. Alles für den Menschen, alles zum Wohle des Menschen! Es waren diese Träume – durch die utopischen Ideen von Dante, Campanella, Fourier und Owen, durch das „Kommunistische Manifest“, durch die Träume von Vera Pawlowna, die Lenins Seele „gepflügt“ haben – die zu Kolyma und Auschwitz geführt haben … Diese sündige Tradition - mit allen möglichen Folgen Sünde - erkannte Dostojewski. Nicht umsonst wird gleich zu Beginn des Gleichnisses vom Großinquisitor wie zufällig der Name Dante genannt ...

Aber Kunst ist keine Schule der Philosophie und Politik. Oder zumindest nicht nur oder gar nicht so sehr die Schule. Und die "späten Alighieri" würden immer noch lieber den zehnten Höllenkreis erschaffen als das Programm einer politischen Partei.

„Dantes Poesie zeichnet sich durch alle Arten von Energie aus, die der modernen Wissenschaft bekannt sind“, schrieb Osip Mandelstam, ein sensibler Erforscher der Göttlichen Komödie, „Die Einheit von Licht, Ton und Materie macht seine innere Natur aus. Dante zu lesen ist zunächst eine endlose Arbeit, die uns, soweit es uns gelingt, vom Ziel abbringt. Wenn das erste Lesen nur Atemnot und gesunde Müdigkeit verursacht, dann decken Sie sich mit dem nächsten Paar unverwüstlicher Schweizer Schuhe mit Nägeln ein. Mir stellt sich wirklich die Frage, wie viele Sohlen, wie viele Rindsledersohlen, wie viele Sandalen Alighieri während seiner poetischen Arbeit auf den Ziegenpfaden Italiens abgenutzt hat.

Logische Formeln und politische, religiöse usw. Lehre ist nur das Ergebnis der „ersten Lektüre“ literarischer Werke, nur der ersten Bekanntschaft mit der Kunst. Dann beginnt die Kunst selbst - keine Formeln, sondern Musik ... Schockiert von der Abhängigkeit der Kolyma-Realität von Texten, die in keiner Weise damit verbunden zu sein scheinen, und der Erkenntnis, dass die „Schande von Kolyma“ eine Ableitung dieser Texte ist, Shalamov schafft eine „neue Prosa“, die von vornherein keine Lehren und Formeln enthält – nichts, was beim „ersten Lesen“ leicht zu erfassen wäre. Es scheint die Möglichkeit des "ersten Lesens" zu beseitigen - es gibt weder gesunde Atemnot noch Zufriedenheit. Im Gegenteil, die erste Lesung hinterlässt nur Verwirrung: Worum geht es? Was ist mit der Musik? Ist die Schellackplatte in der Geschichte „Sentence“ möglicherweise die systembildende Metapher von „Kolyma Tales“? Stellt er nicht die Sonne, nicht die Vernunft, nicht die Gerechtigkeit in den Mittelpunkt seiner künstlerischen Welt, sondern nur eine heisere Schellackplatte mit einer Art symphonischer Musik?

Als Meister der „ersten Lesungen“ sind wir nicht sofort in der Lage, die Beziehung zwischen dem „späten Alighieri“ und dem verstorbenen Shalamov zu erkennen. Hören Sie die Verwandtschaft und Einheit ihrer Musik.

„Wenn wir gelernt hätten, Dante zu hören“, schrieb Mandelstam, „hätten wir die Reifung der Klarinette und der Posaune gehört, wir hätten die Umwandlung der Bratsche in eine Geige und die Verlängerung des Hornventils gehört. Und wir wären Zuhörer, wie sich um Laute und Theorbe ein nebliger Kern des künftigen homophonen dreistimmigen Orchesters bildet.

„Es gibt Tausende von Wahrheiten auf der Welt (und Wahrheit-Wahrheiten und Wahrheit-Gerechtigkeiten) und es gibt nur eine Wahrheit des Talents. So wie es eine Art der Unsterblichkeit gibt - die Kunst.

Nachdem wir die Analyse abgeschlossen haben, müssen wir nun selbst unsere Arbeit ernsthaft in Frage stellen oder sie sogar ganz streichen ... Tatsache ist, dass der Text der Kolyma Tales, der Text jener Veröffentlichungen, auf die wir uns in unserer Arbeit bezogen haben, bereits Zweifel aufkommen lässt . Es ist nicht so, dass irgendjemand nicht sicher wäre, ob Varlam Shalamov diese oder jene Geschichte geschrieben hat - es ist Gott sei Dank zweifellos. Aber welche Gattung hat die gesamte Sammlung seiner "Kolyma"-Werke, wie groß ist ihr Text, wo beginnt sie und wo endet sie, was ist die Komposition - das wird nicht nur im Laufe der Zeit nicht klar, sondern sozusagen sogar immer unverständlicher wird.

Wir haben bereits auf den neunhundertseitigen Band der Pariser Ausgabe von Kolyma Tales verwiesen. Der Band beginnt mit dem eigentlichen Zyklus „Kolyma Tales“, hier „Der erste Tod“ genannt. Dieser Zyklus ist eine schroffe Einführung in die künstlerische Welt von Shalamov. Hier finden wir erstmals sowohl einen taub geschlossenen Raum als auch eine angehaltene Zeit - Nichts- Kolyma-Lager "Realität". (Hier wird zum ersten Mal von der Gleichgültigkeit auf dem Sterbebett gesprochen, der geistigen Betäubung, die nach der Folter durch Hunger, Kälte und Schläge auftritt.) Dieser Zyklus ist eine Anleitung zu diesem Kolyma Nichtexistenz, wo sich die Ereignisse der folgenden Bücher entfalten werden.

Ein Führer zu den Seelen der Bewohner dieser Hölle - der Gefangenen. Hier versteht man, dass Überleben (am Leben bleiben, Leben retten - und dem Leser das Überleben beibringen) keineswegs die Aufgabe des Autors ist, die er zusammen mit seinem "lyrischen Helden" löst ... Schon allein, weil keiner der Charaktere bereits hat nicht überlebt - jeder (und der Leser zusammen mit allen) ist in die Nichtexistenz von Kolyma eingetaucht.

Dieser Zyklus ist gewissermaßen eine "Ausstellung" der künstlerischen Prinzipien des Autors, na ja, wie "Hölle" in der "Göttlichen Komödie". Und wenn wir von den heute als ein einziges Werk bekannten sechs Erzählzyklen sprechen – und genau dazu tendiert jeder, der Shalamovs Kompositionsprinzipien interpretierte –, dann ist ein anderer Beginn des ganzen grandiosen Epos kaum mehr vorstellbar der im Pariser Band betitelte Zyklus (der übrigens Gegenstand zusätzlicher Diskussionen ist) "Der erste Tod".

Aber jetzt erscheint in Moskau endlich ein Band mit Shalamovs Erzählungen "Das linke Ufer" (Sovremennik, 1989) ... und ohne den ersten Zyklus! Schlimmer kann man es sich nicht vorstellen. Warum, was hat die Verkündiger geleitet? Keine Erklärung...

Im selben Jahr, aber in einem anderen Verlag, wurde ein weiteres Buch mit Geschichten von Shalamov veröffentlicht - "Die Auferstehung der Lärche". Gott sei Dank beginnt es mit dem ersten Zyklus, mit den eigentlichen Kolyma Tales, aber dann (wieder schlimmer denn je!) sind The Spade Artist und The Left Bank stark und völlig willkürlich gekürzt, um die Hälfte oder mehr. Und hier haben sie sowohl im Vergleich zur Pariser Ausgabe als auch im Vergleich zur gerade erschienenen Sammlung "Left Bank" die Plätze gewechselt. Warum, auf welcher Grundlage?

Aber nein, nur auf den ersten Blick scheint es unverständlich, warum all diese Manipulationen durchgeführt werden. Es ist leicht zu erraten: eine andere Abfolge von Geschichten - ein anderer künstlerischer Eindruck. Shalamov wird energisch gezwungen, sich an das traditionelle (und wiederholt mit solcher Kraft und Gewissheit widerlegte) Prinzip der russischen humanistischen Schule zu halten: „Von der Dunkelheit zum Licht“ ... Aber es genügt, ein paar Dutzend Zeilen zurückzublicken, um das zu sehen Dieses Prinzip ist nach Ansicht von Shalamov selbst etwas, das mit seiner "neuen Prosa" entschieden unvereinbar ist.

I. Sirotinskaya selbst, die Herausgeberin beider Bücher, scheint die richtigen Gedanken zu äußern: „Die Geschichten von V.T. Shalamov sind durch eine untrennbare Einheit verbunden: Das ist das Schicksal, die Seele, die Gedanken des Autors selbst. Dies sind die Zweige eines einzelnen Baums, Ströme eines einzelnen kreativen Stroms - Epen über Kolyma. Die Handlung einer Geschichte wächst in eine andere Geschichte hinein, einige Charaktere tauchen auf und agieren unter demselben oder unterschiedlichen Namen. Andreev, Golubev, Krist sind die Inkarnationen des Autors selbst. Es gibt keine Fiktion in diesem tragischen Epos. Der Autor glaubte, dass die Geschichte über diese jenseitige Welt mit der Fiktion nicht vereinbar ist und in einer anderen Sprache geschrieben werden sollte. Aber nicht in der Sprache der psychologischen Prosa des 19. Jahrhunderts, die der Welt des 20. Jahrhunderts, dem Jahrhundert von Hiroshima und den Konzentrationslagern, bereits unangemessen ist.

Es ist wie es ist! Aber künstlerische Sprache ist schließlich nicht nur und oft nicht so sehr Worte, sondern Rhythmus, Harmonie, Komposition eines künstlerischen Textes. Wie, wenn man versteht, dass sich „die Handlung einer Geschichte zu einer anderen Geschichte entwickelt“, kann man nicht verstehen, dass sich die Handlung eines Zyklus zu einer anderen entwickelt! Sie können nicht beliebig reduziert und neu angeordnet werden. Außerdem gibt es eine Skizze des Autors selbst Befehl Anordnung von Geschichten und Zyklen - es wurde von Pariser Verlegern verwendet.

Mit Respekt und Liebe, wenn wir an Shalamov denken, übertragen wir unseren Respekt auf diejenigen, die nach dem Willen des Künstlers seine Testamentsvollstrecker sind. Ihre Rechte sind unantastbar ... Aber die Verwaltung des Textes eines brillanten Künstlers ist eine unmögliche Aufgabe für eine Person. Die Aufgabe qualifizierter Spezialisten sollte die Vorbereitung der Veröffentlichung der wissenschaftlichen Ausgabe von Kolyma Tales sein - in voller Übereinstimmung mit den kreativen Prinzipien von V. Shalamov, die in den kürzlich veröffentlichten Briefen und Notizen so klar dargelegt sind (wofür I. P. Sirotinskaya ein großes Lob ausspricht). ...

Jetzt, da es keine Zensureinmischung zu geben scheint, bewahre Gott, dass wir Zeitgenossen das Andenken des Künstlers durch Erwägungen politischer oder kommerzieller Umstände verletzen. Leben und Werk von V.T. Shalamova ist ein Sühnopfer für unsere gemeinsamen Sünden. Seine Bücher sind der geistige Schatz Russlands. So sollten sie behandelt werden.

M. "Oktober". 1991, Nr. 3, S. 182-195

Anmerkungen

• 1. "Neue Welt, 1989, Nr. 12, S. 60
• 2. Ebenda, S. 61
• 3. Ebenda, S. 64
• 4. Schalamow V. Auferstehung der Lärche. "Thermometer Grishka Logun"
• 5. Schalamow V. Auferstehung der Lärche. "Tapfere Augen"
• 6. ALS. Puschkin. PSS, Bd. VIII (I), S. 227.
• 7. Ebenda, Bd. VIII (II), S. 334.
• 8. Schalamow V. Kolyma-Geschichten. "Zimmerleute"
• 9. Schalamow V. Kolyma-Geschichten. "Tatarischer Mullah und saubere Luft"
• 10. Schalamow V. Kolyma-Geschichten. "Brot"
• 11. Schalamow V. Kolyma-Geschichten. "Goldene Taiga"
• 12. Schalamow V. Kolyma-Geschichten. "Beeren"
• 13. Schalamow V. Kolyma-Geschichten. "Sherry-Brandy"
• 14. Schalamow V. Kolyma-Geschichten. "In der Nacht"
• 15. Schalamow V."Über Prosa"
• 16. Schalamow V. Auferstehung der Lärche "Zwei Begegnungen"
• 17. Schalamow V. Kolyma-Geschichten. "Typhus-Quarantäne"
• 18. "Neue Welt", 1989, Nr. 12, S. 60
• 19. Schalamow V. Spatenkünstler. "Juni"
• 20. Schalamow V.
• 21. Schalamow V. Spatenkünstler. "Erster Chekist"
• 22. "Neue Welt", 1989. Nr. 12, S. 61
• 23. Bis zur Veröffentlichung des Artikels waren ca. shalamov.ru
• 24. Im Buch. V. Shalamov "Kolyma-Geschichten" Vorwort von M. Geller, 3. Aufl., S.13. CVJM – PRESSE, Paris, 1985
• 25. Schalamow V. Spatenkünstler. "Erster Chekist"
• 26. Schalamow V. Linke Küste. "Mein Prozess"
• 27. Siehe L. Chukovskaya. Workshop der menschlichen Auferstehung... "Referendum". Zeitschrift für unabhängige Meinungen. M. April 1990. Nr. 35. Seite 19.
• 28. Schalamow V. Linke Küste. "Mein Prozess"
• 29. Schalamow V. Spatenkünstler. "Grüne Staatsanwaltschaft"
• 30. "Das vierte Wologda" - Unser Erbe, 1988, Nr. 4, S. 102
• 31. Schalamow V. Spatenkünstler. "Kurse"
• 32. Die Handlung der Geschichte basiert auf den Lebensereignissen des Vaters des Schriftstellers, T.N. Shalamova.
• 33. "Neue Welt", 1989, Nr. 2, S. 61
• 34. Im Buch. O. Mandelstam. Wort und Kultur. - M. Sowjetischer Schriftsteller 1987, S. 112
• 35. Ebenda, S. 114
• 36. "Neue Welt", 1989, Nr. 12, S. 80
• 37. I. Sirotinskaja. Über den Autor. Im Buch. V. Shalamova "Linkes Ufer" - M., Sovremennik, 1989, S. 557.
• 38. Wir sprechen über die Veröffentlichung: Geschichten von Shalamov V. Kolyma. Vorwort von M. Geller. - Paris: YMKA-Presse, 1985.

Warlam Schalamow

Maxime

Nadeschda Jakowlewna Mandelstam

Menschen tauchten aus dem Nichts auf – einer nach dem anderen. Ein Fremder legte sich neben mich auf die Pritsche, lehnte sich nachts an meine knochige Schulter, spendete seine Wärme – Wärmetropfen – und erhielt meine zurück. Es gab Nächte, in denen mich durch die Fetzen einer Cabanjacke, einer Steppjacke keine Wärme erreichte, und am Morgen sah ich meinen Nachbarn an, als wäre er ein toter Mann, und war ein wenig überrascht, dass der Tote lebte, stand auf auf einen Schrei, gekleidet und gehorsam dem Befehl gehorcht. Ich hatte wenig Wärme. An meinen Knochen ist nicht mehr viel Fleisch übrig. Dieses Fleisch reichte nur für Wut – das letzte der menschlichen Gefühle. Nicht Gleichgültigkeit, sondern Wut war das letzte menschliche Gefühl - dasjenige, das näher an den Knochen liegt. Ein Mann, der aus dem Nichts entstand, verschwand im Laufe des Tages – es gab viele Standorte in der Kohleexploration – und verschwand für immer. Ich kenne die Leute nicht, die neben mir geschlafen haben. Ich habe ihnen nie Fragen gestellt, und nicht, weil ich einem arabischen Sprichwort folgte: Frag nicht, und du wirst nicht belogen. Es war mir egal, ob sie mich anlügen würden oder nicht, ich war außerhalb der Wahrheit, außerhalb der Lüge. Die Diebe haben zu diesem Thema einen harten, hellen, unhöflichen Spruch, der von tiefer Verachtung für den Fragesteller durchdrungen ist: Wenn Sie es nicht glauben, halten Sie es für ein Märchen. Ich habe keine Fragen gestellt oder mir Geschichten angehört.

Was ist mir bis zum Schluss geblieben? Bosheit. Und diese Wut bewahrend, erwartete ich zu sterben. Aber der Tod, der noch vor kurzem so nah war, begann sich allmählich zu entfernen. Der Tod wurde nicht durch das Leben ersetzt, sondern durch ein Halbbewusstsein, eine Existenz, die keine Formeln hat und die nicht Leben genannt werden kann. Jeden Tag, jeder Sonnenaufgang brachte die Gefahr eines neuen, tödlichen Schocks. Aber es gab keinen Schub. Ich arbeitete als Kesselbauer – der einfachste aller Berufe, einfacher als ein Wächter, aber ich hatte keine Zeit, Holz für Titan, den Kessel des Titan-Systems, zu hacken. Ich könnte rausgeschmissen werden - aber wo? Die Taiga ist weit weg, unser Dorf „Geschäftsreise“ in Kolyma ist wie eine Insel in der Taigawelt. Ich konnte meine Beine kaum schleppen, die Entfernung von zweihundert Metern vom Zelt zur Arbeit erschien mir endlos, und ich setzte mich mehr als einmal hin, um mich auszuruhen. Ich erinnere mich noch an all die Schlaglöcher, all die Löcher, all die Furchen auf diesem sterblichen Weg; ein Bach, vor dem ich mich auf den Bauch legte und kaltes wohlschmeckendes Heilwasser aufschleckte. Die zweihändige Säge, die ich mal auf der Schulter, mal schleppend an einem Griff trug, kam mir wie eine Last von unglaublichem Gewicht vor.

Ich war nie in der Lage, Wasser rechtzeitig zu kochen, um Titan zum Abendessen zum Kochen zu bringen.

Aber keiner der Arbeiter der Freien, es waren alles Häftlinge von gestern, achtete nicht darauf, ob das Wasser kochte oder nicht. Kolyma hat uns allen beigebracht, Trinkwasser nur nach Temperatur zu unterscheiden. Heiß, kalt, nicht gekocht und roh.

Der dialektische Sprung beim Übergang von Quantität zu Qualität war uns egal. Wir waren keine Philosophen. Wir waren harte Arbeiter, und unser heißes Trinkwasser hatte diese wichtigen Eigenschaften eines Sprungs nicht.

Ich aß und versuchte gleichgültig, alles zu essen, was mir ins Auge fiel - Abfälle, Essensreste, die Beeren des letzten Jahres im Sumpf. Die Suppe von gestern oder vorgestern aus einem „freien“ Kessel. Nein, unsere Ehrenamtlichen hatten die Suppe von gestern nicht.

In unserem Zelt waren zwei Gewehre, zwei Schrotflinten. Rebhühner hatten keine Angst vor Menschen und schlugen den Vogel zuerst direkt von der Schwelle des Zeltes. Beute wurde ganz in der Asche eines Feuers gebacken oder gekocht, wenn sie sorgfältig gezupft wurde. Daunen - auf dem Kissen, auch Handel, sicheres Geld - zusätzliches Geld von den freien Besitzern von Waffen und Taigavögeln. Ausgenommene, gerupfte Rebhühner wurden in Blechdosen gekocht - drei Liter, die an den Feuern aufgehängt wurden. Von diesen mysteriösen Vögeln habe ich nie irgendwelche Überreste gefunden. Hungrige freie Mägen zerquetscht, gemahlen, alle Vogelknochen spurlos ausgesaugt. Es war auch eines der Wunder der Taiga.

Ende des Einführungsabschnitts.

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Nadeschda Jakowlewna Mandelstam

Menschen tauchten aus dem Nichts auf – einer nach dem anderen. Ein Fremder legte sich neben mich auf die Pritsche, lehnte sich nachts an meine knochige Schulter, spendete seine Wärme – Wärmetropfen – und erhielt meine zurück. Es gab Nächte, in denen mich durch die Fetzen einer Cabanjacke, einer Steppjacke keine Wärme erreichte, und am Morgen sah ich meinen Nachbarn an, als wäre er ein toter Mann, und war ein wenig überrascht, dass der Tote lebte, stand auf auf einen Schrei, gekleidet und gehorsam dem Befehl gehorcht. Ich hatte wenig Wärme. An meinen Knochen ist nicht mehr viel Fleisch übrig. Dieses Fleisch reichte nur für Wut – das letzte der menschlichen Gefühle. Nicht Gleichgültigkeit, sondern Wut war das letzte menschliche Gefühl - dasjenige, das näher an den Knochen liegt. Ein Mann, der aus dem Nichts entstand, verschwand im Laufe des Tages – es gab viele Standorte in der Kohleexploration – und verschwand für immer. Ich kenne die Leute nicht, die neben mir geschlafen haben. Ich habe ihnen nie Fragen gestellt, und nicht, weil ich einem arabischen Sprichwort folgte: Frag nicht, und du wirst nicht belogen. Es war mir egal, ob sie mich anlügen würden oder nicht, ich war außerhalb der Wahrheit, außerhalb der Lüge. Die Diebe haben zu diesem Thema einen harten, hellen, unhöflichen Spruch, der von tiefer Verachtung für den Fragesteller durchdrungen ist: Wenn Sie es nicht glauben, halten Sie es für ein Märchen. Ich habe keine Fragen gestellt oder mir Geschichten angehört.

Was ist mir bis zum Schluss geblieben? Bosheit. Und diese Wut bewahrend, erwartete ich zu sterben. Aber der Tod, der noch vor kurzem so nah war, begann sich allmählich zu entfernen. Der Tod wurde nicht durch das Leben ersetzt, sondern durch ein Halbbewusstsein, eine Existenz, die keine Formeln hat und die nicht Leben genannt werden kann. Jeden Tag, jeder Sonnenaufgang brachte die Gefahr eines neuen, tödlichen Schocks. Aber es gab keinen Schub. Ich arbeitete als Kesselbauer – der einfachste aller Berufe, einfacher als ein Wächter, aber ich hatte keine Zeit, Holz für Titan, den Kessel des Titan-Systems, zu hacken. Ich könnte rausgeschmissen werden - aber wo? Die Taiga ist weit weg, unser Dorf „Geschäftsreise“ in Kolyma ist wie eine Insel in der Taigawelt. Ich konnte meine Beine kaum schleppen, die Entfernung von zweihundert Metern vom Zelt zur Arbeit erschien mir endlos, und ich setzte mich mehr als einmal hin, um mich auszuruhen. Ich erinnere mich noch an all die Schlaglöcher, all die Löcher, all die Furchen auf diesem sterblichen Weg; ein Bach, vor dem ich mich auf den Bauch legte und kaltes wohlschmeckendes Heilwasser aufschleckte. Die zweihändige Säge, die ich mal auf der Schulter, mal schleppend an einem Griff trug, kam mir wie eine Last von unglaublichem Gewicht vor.

Ich war nie in der Lage, Wasser rechtzeitig zu kochen, um Titan zum Abendessen zum Kochen zu bringen.

Aber keiner der Arbeiter der Freien, es waren alles Häftlinge von gestern, achtete nicht darauf, ob das Wasser kochte oder nicht. Kolyma hat uns allen beigebracht, Trinkwasser nur nach Temperatur zu unterscheiden. Heiß, kalt, nicht gekocht und roh.

Der dialektische Sprung beim Übergang von Quantität zu Qualität war uns egal. Wir

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Hier ein Auszug aus dem Buch.
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Eine Maxime im Lateinischen ist ein Gedanke. Dies ist das erste Wort, das im wiederbelebten Bewusstsein von Varlam Shalamov auferstanden ist, als er vom Halbtod, von der Dystrophie, wieder zum Leben erweckt wurde. Das erste Wort aus der Natur für ihn, den russischen Intellektuellen, die Welt der Bilder und Konzepte. Darüber schreibt er in einer Geschichte mit dem Titel „Sentence“.

Diese Geschichte ist seinem großen Freund N.Ya gewidmet. Mandelstam, die Witwe des großen russischen Dichters Osip Mandelstam, der am Vorabend von Kolyma auf der Durchreise an derselben Dystrophie starb, Mandelstam, der Shalamov "Sherri-Brandy" widmete - über den Tod des Dichters. Shalamov wusste, wie Poesie im Russland des 20. Jahrhunderts getötet wurde.

In der Weltgeschichte hat niemand außer Shalamov jemals einen so einschränkenden, letzten Zustand eines Menschen geschaffen, aus dem die Umstände alle falschen Werte und Erscheinungen vollständig entfernt haben und mit dem eine völlig falsche Gesellschaft sich als Tatsache verhüllt und verkleidet das Thema der großen Literatur, als Tatsache und das Thema der großen Literatur universeller Maskenball, dann ist das Erste und Letzte, was tatsächlich im Menschen selbst steckt, sein wahres, uns heute unbekanntes, menschliches Antlitz.

Shalamov ist der einzige in der gesamten Weltliteratur, der vollständig und auf Grund der komplexesten persönlichen Erfahrung in einem Menschen das Innerste gesehen und gezeigt hat, das ihm durch den Willen der Zeit und der Epoche offenbart und gerade als Erhabenes gegeben wurde Aufgabe, die Wahrheit - die letzten, völlig nackten Wurzeln und Stäbchen des Wesens eines Menschen in sich selbst - in einer transzendentalen Situation am Rande von Leben und Tod zu offenbaren. In den letzten hoffnungslosen und unmenschlichen Zuständen, jenseits derer es keine körperliche und geistige Grenze mehr gibt – kein Schutz mit Masken. Alles ist vollkommen transparent und alles ist vollkommen real. Keine Illusionen.

Alles, was in einem Menschen absolut über alle Grenzen des wackligen und allzu zerbrechlichen Rahmens jenes falschen Glanzes der sozialen Maskerade zurückbleibt, der ihn gewöhnlich als Selbsttäuschung und billige Fälschung eines fleißigen amerikanischen Lächelns umgibt und was als etwas Äußeres und künstlich in Bezug auf den tiefen Kern und das Zentrum der Persönlichkeit, ändert absolut nichts an der Person selbst und schützt absolut nichts an der letzten Grenze der großen Prüfung der persönlichen Menschlichkeit – der Prüfung des eigenen Gesichts, der Persönlichkeit.

Und hier zeigt sich sofort und zwangsläufig, dass der König nackt ist.

Über die Liebe für die bisher Seit Beginn der Geschichte akzeptiert eine Person alles, alle Gefühle und Leidenschaften, ohne jemals unter dem Deckmantel falscher moralischer Werte und falscher sozialer Stereotypen zu wissen, als in Wirklichkeit an dieser letzten Grenze der Prüfungist sie selbst , Shalamov schrieb:

„Die Liebe ist nicht zu mir zurückgekehrt. Oh, wie weit entfernt ist die Liebe von Neid, von Angst, von Wut. Wie wenig Menschen Liebe brauchen. Liebe kommt, wenn alle menschlichen Gefühle bereits zurückgekehrt sind. Liebe kommt zuletzt, kehrt zuletzt zurück, und ob sie zurückkehrt "Aber nicht nur Gleichgültigkeit, Neid und Angst waren Zeugen meiner Rückkehr ins Leben. Das Mitleid mit den Tieren kehrte vor dem Mitleid mit den Menschen zurück."

Über das Wort, das im Bewusstsein auftauchte, das aus dem Halbtod auferstand, schrieb Shalamov wie folgt:
« In diesem Wort lag etwas Römisches, Solides, Lateinisches. Das antike Rom war für meine Kindheit die Geschichte des politischen Kampfes, des Kampfes der Menschen, und das antike Griechenland war das Reich der Kunst. Obwohl es im antiken Griechenland Politiker und Mörder gab, gab es im antiken Rom viele Künstler. Aber meine Kindheit hat diese beiden sehr unterschiedlichen Welten zugespitzt, vereinfacht, eingeengt und getrennt. Eine Maxime ist ein römisches Wort. Eine Woche lang verstand ich nicht, was das Wort „Maxime“ bedeutete. Ich habe dieses Wort geflüstert, es herausgeschrien, mich erschreckt und die Nachbarn mit diesem Wort zum Lachen gebracht. Ich verlangte von der Welt, vom Himmel, Hinweise, Erklärungen, Übersetzungen... Und eine Woche später verstand ich - und schauderte vor Angst und Freude. Angst – weil ich Angst hatte, in diese Welt zurückzukehren, wo es für mich keine Rückkehr gab. Freude - weil ich sah, dass das Leben gegen meinen Willen zu mir zurückkehrte.

Shalamov schuf nur literarische Beweise für ein so komplexes Phänomen wie den absolut nackten Kern einer Person, unbedeckt von absolut keinen Erscheinungen und bedingten Rahmen, ohne alle seine eigenen Masken. Er zeigte den Mann selbst nur am Rande der bloßen Biologie, als ihm alles Scheinbare, Oberflächliche entrissen wurde. Aber er bot keine Lösungen an und wusste tatsächlich nicht, was die Lösung war.

Deshalb fühlen wir uns in seinen Geschichten und nach ihnen sogar körperlich so unwohl, schmerzen und schmerzen.

Nach diesen Jahren blieb Shalamov bis zu seinem Lebensende ein durch und durch kranker Mensch und verbrachte sein Lebensende in einem Internat für Behinderte. Seine letzte und größte Liebe blieb bis zum Schluss bei ihm, Shalamovs enge Freundin - Irina Pavlovna Sirotinskaya, die eine Familie und Kinder hatte, die ihn aber, obwohl sie seinen Heiratsantrag ablehnte, aus Dankbarkeit und Anerkennung für alle nicht verließ das er getan hat - für all seine große menschliche Ehrlichkeit und Ehre. Das Schreiben im Lager war mit großen Gefahren und großen Opfern verbunden, aber es war notwendig, Fetzen von Entwürfen aufzubewahren und auszuführen, um uns diese Geschichte zu übermitteln.

Am 11. Januar 2011, ein hervorragender professioneller Archivar, enger Freund von Varlam ShalamovIrina Pawlowna Sirotinskaya, Nachfolger, Verwalter und Herausgeber seines Erbes, der das erste Mitglied des Kuratoriums unseres National Style Magazine SOBAKI DANDY wurde.

Und genau aus diesem Grund ist sie in das Kuratorium des Magazins eingetretengrundlegende Bedeutung der Entdeckung, klar angegeben ingenau diese Geschichte "Sentence", und durch die Shalamov in seinemendgültige Exposition von Stäben unwillkürlich in der Praxis bestanden. entdeckt dasMitleid mit Tieren kehrt vor Mitleid mit Menschen und sogar Liebe zurück. Dass das obligatorische Gefühl aller Lebewesen, und nicht nur der Menschen, vorangeht alle anderen Gefühle. Und dass es auf dem Weg zur Beseitigung des weltweiten Liebesdefizits nicht nur unmöglich ist, es zu umgehen oder zu überspringen, sondern man es auch angehen muss. zwangsläufig zurückkehren und als Grundgefühl allen Lebens im Universum zwangsläufig in die Erziehung und den Aufbau jeglicher sozialer Beziehungen einbeziehen. Und ohne sie ist sogar die Liebe selbst unmöglich.

Es tut mir aufrichtig leid, dass Irina Pawlowna dieses Vorwort über Shalamov niemals lesen wird. Sie war immer sehr besorgt über das Erbe von Shalamov (der rechtlich der einzige gesetzliche Erbe blieb), hielt und organisierte viele Konferenzen, die seiner Arbeit in verschiedenen Ländern gewidmet waren, und veröffentlichte viele seiner Bücher. Ihre Intonation hatte nie den leisesten Hauch von Ehrfurcht oder Pathos, aber tiefe Wärme und Hingabe waren darin verborgen, von denen ihre Worte über Varlam Shalamov immer durchdrungen waren.

In ihr, in dieser bescheidenen „russischen Madonna Laura“, wie sie in Italien nach dem Namen ihres geliebten Petrarca für Shalamovs letzte bis zum Ende und tiefe Liebe zu ihr genannt wurde, war etwas wirklich Helles, Lebendiges, Aufrichtiges und Echtes, das unterscheidet sie deutlich von den meisten ihrer Zeitgenossen.

Shalamovs Erfahrung ist unendlich schmerzhaft, wird aber immer noch zu unterschätzt. Und ihr wahrer Sinn ist noch nicht zu Ende begriffen durch die allgemeine Erfahrung der Menschheit, schon heute grenzenlos unterdrückt durch jenen falschen, fanatischen Glanz und die Maskerade der künstlichen Gesellschaft, die heute die untrennbaren Bindungen zwischen dem Menschen und dem Organischen des Seins fast vollständig durchtrennt . Und die Sie heute wieder mit dem Verlinken beginnen müssen. In der Erkenntnis, dass wir heute bereits an dieser - der gewaltigsten - Schwelle stehen, die Wurzeln und Kerne des Seins in uns selbst aufzudecken, die immer noch geschickt von einer falschen Gesellschaft getarnt sind, die aber nicht auf kindliche Weise, absolut nicht zugunsten einer Person sind, sind vom geringsten Hauch eines Lebensproblems ausgesetzt. Und dass wir schon heute, jetzt und hier täglich von unserer eigenen Menschlichkeit auf die Probe gestellt werden. Ein Test durch seine Wurzeln und Stäbe – nämlich extrem nackte – die wir seit langem eingeladen haben, damit zu beginnen, sie wieder aufzubauen und bewusst zu verändern, indem wir dieses Großartige bauen innerer Tempel höher und höher bis zu dem Moment, in dem sich die große Macht der Unsterblichkeit sicher in ihm manifestieren wird, wie es die unvermeidlich wahren Prophezeiungen versprechen. Aber der Tempel ist genau innerlich und überhaupt nicht äußerlich und einstürzend, pervertiert durch denselben goldenen phanaberischen falschen Glanz und menschliche Erfindungen, so dass der König in der Stunde seines letzten Rubikons und seiner letzten Offenbarung im Wichtigsten wieder nackt wäre Sache - in den Wurzeln und Stangen.

Wie die Apokryphen sagen: „Jesus sagte: Als du nackt werden Und Nicht schäme dich und nimm deine Kleider, leg ihre zu deinen Füßen trampeln wie kleine Kinder ihre, Dann [du wirst sehen] den Sohn des Lebendigen, und du wirst dich nicht fürchten“ (Apokryphen der alten Christen, Thomas-Evangelium).

Heute wird dieses einzigartige Erlebnis unterschätzt. Ja, es brachte an sich keine Antwort, bis es allgemein wurde, aber es brachte ein Problem und eine Richtung. Aber wir müssen versuchen zu verstehen, dass das Verständnis dieser unschätzbaren Erfahrung morgen vielleicht nicht mehr hilft – es wird zu spät sein, nach einem Ausweg zu suchen.

VORWORT: HUNDE DANDY NACHRICHTEN

W. Schalamow

Maxime

Nadeschda Jakowlewna Mandelstam

Menschen tauchten aus dem Nichts auf – einer nach dem anderen. Ein Fremder legte sich neben mich auf die Pritsche, lehnte sich nachts an meine knochige Schulter, spendete seine Wärme – Wärmetropfen – und erhielt meine zurück. Es gab Nächte, in denen mich durch die Fetzen einer Cabanjacke, einer Steppjacke keine Wärme erreichte, und am Morgen sah ich meinen Nachbarn an, als wäre er ein toter Mann, und war ein wenig überrascht, dass der Tote lebte, stand auf auf einen Schrei, gekleidet und gehorsam dem Befehl gehorcht. Ich hatte wenig Wärme. An meinen Knochen ist nicht mehr viel Fleisch übrig. Dieses Fleisch reichte nur für Wut - das letzte menschliche Gefühl. Nicht Gleichgültigkeit, sondern Wut war das letzte menschliche Gefühl - dasjenige, das näher an den Knochen liegt. Ein Mann, der aus dem Nichts auftauchte, verschwand im Laufe des Tages – es gab viele Standorte in der Kohleexploration – und verschwand für immer. Ich kenne die Leute nicht, die neben mir geschlafen haben. Ich habe ihnen nie Fragen gestellt, und nicht, weil ich einem arabischen Sprichwort folgte: Frag nicht, und du wirst nicht belogen. Es war mir egal, ob sie mich anlügen würden oder nicht, ich war außerhalb der Wahrheit, außerhalb der Lüge. Die Diebe haben zu diesem Thema einen harten, hellen, unhöflichen Spruch, der von tiefer Verachtung für den Fragesteller durchdrungen ist: Wenn Sie es nicht glauben, halten Sie es für ein Märchen. Ich habe keine Fragen gestellt oder mir Geschichten angehört.

Was ist mir bis zum Schluss geblieben? Bosheit. Und diese Wut bewahrend, erwartete ich zu sterben. Aber der Tod, der noch vor kurzem so nah war, begann sich allmählich zu entfernen. Der Tod wurde nicht durch das Leben ersetzt, sondern durch ein Halbbewusstsein, eine Existenz, die keine Formeln hat und die nicht Leben genannt werden kann. Jeden Tag, jeder Sonnenaufgang brachte die Gefahr eines neuen, tödlichen Schocks. Aber es gab keinen Schub. Ich arbeitete als Kesselbauer – der einfachste aller Berufe, einfacher als ein Wächter, aber ich hatte keine Zeit, Holz für Titan, den Kessel des Titan-Systems, zu hacken. Ich könnte rausgeschmissen werden - aber wo? Die Taiga ist weit weg, unser Dorf "Geschäftsreise" in Kolyma ist wie eine Insel in der Taigawelt. Ich konnte meine Beine kaum schleppen, die Entfernung von zweihundert Metern vom Zelt zur Arbeit erschien mir endlos, und ich setzte mich mehr als einmal hin, um mich auszuruhen. Ich erinnere mich noch an all die Schlaglöcher, all die Löcher, all die Furchen auf diesem sterblichen Weg; ein Bach, vor dem ich mich auf den Bauch legte und kaltes wohlschmeckendes Heilwasser aufschleckte. Die zweihändige Säge, die ich mal auf der Schulter, mal schleppend an einem Griff trug, kam mir wie eine Last von unglaublichem Gewicht vor.

Ich war nie in der Lage, Wasser rechtzeitig zu kochen, um Titan zum Abendessen zum Kochen zu bringen.

Aber keiner der Arbeiter der Freien, sie waren alle Gefangene von gestern, achtete nicht darauf, ob das Wasser kochte oder nicht.

Kolyma hat uns allen beigebracht, Trinkwasser nur nach Temperatur zu unterscheiden. Heiß, kalt, nicht gekocht und roh.

Der dialektische Sprung beim Übergang von Quantität zu Qualität war uns egal. Wir waren keine Philosophen. Wir waren harte Arbeiter, und unser heißes Trinkwasser hatte diese wichtigen Eigenschaften eines Sprungs nicht.

Ich aß und versuchte gleichgültig, alles zu essen, was mir ins Auge fiel - Abfälle, Essensreste, die Beeren des letzten Jahres im Sumpf. Die Suppe von gestern oder vorgestern aus einem „freien“ Kessel. Nein, unsere Ehrenamtlichen hatten die Suppe von gestern nicht.

In unserem Zelt waren zwei Gewehre, zwei Schrotflinten. Rebhühner hatten keine Angst vor Menschen und schlugen den Vogel zuerst direkt von der Schwelle des Zeltes. Beute wurde ganz in der Asche eines Feuers gebacken oder gekocht, wenn sie sorgfältig gezupft wurde. Daunen - auf dem Kissen, auch Handel, sicheres Geld - zusätzliches Geld von den freien Besitzern von Waffen und Taigavögeln. Ausgenommene, gerupfte Rebhühner wurden in Blechdosen gekocht - drei Liter, die an den Feuern aufgehängt wurden. Von diesen mysteriösen Vögeln habe ich nie irgendwelche Überreste gefunden. Hungrige freie Mägen zerquetscht, gemahlen, alle Knochen spurlos ausgesaugt. Es war auch eines der Wunder der Taiga.

Ich habe noch nie einen Bissen von diesen Rebhühnern gekostet. Meine waren Beeren, Graswurzeln, Rationen. Und ich bin nicht gestorben. Ich begann immer gleichgültiger, ohne Bosheit, auf die kalte rote Sonne, auf die Berge, die Schmerlen zu blicken, wo alles: Felsen, Bachbiegungen, Lärchen, Pappeln - kantig und unfreundlich war. Abends stieg ein kalter Nebel aus dem Fluss auf, und in den Taiga-Tagen gab es keine Stunde, in der ich warm war.

Erfrorene Finger und Zehen schmerzten, summten vor Schmerz. Die hellrosa Haut der Finger blieb rosa, leicht verletzlich. Die Finger waren für immer in eine Art schmutzige Lappen gewickelt, die die Hand vor einer neuen Wunde schützten, vor Schmerzen, aber nicht vor einer Infektion. Eiter sickerte aus den großen Zehen an beiden Füßen, und der Eiter nahm kein Ende.

Ich wurde durch einen Schlag auf die Reling geweckt. Sie wurden durch einen Schlag auf die Reling von der Arbeit entfernt. Nach dem Essen legte ich mich sofort auf die Pritsche, natürlich ohne mich auszuziehen, und schlief ein. Ich konnte das Zelt, in dem ich schlief und lebte, wie durch einen Nebel sehen - irgendwo bewegten sich Menschen, lautes Schimpfen erhob sich, Kämpfe brachen aus, es gab eine sofortige Stille vor einem gefährlichen Schlag. Die Kämpfe klangen schnell ab - von alleine, niemand hielt sich zurück, trennten sich nicht, die Kampfmotoren blieben einfach stehen - und es herrschte kalte Nachtstille mit fahlem Himmel durch die Löcher in der Planendecke, mit Schnarchen, Keuchen, Stöhnen, Husten und unbewusste Flüche der Schlafenden.

Eines Nachts fühlte ich, dass ich dieses Stöhnen und Keuchen hörte. Das Gefühl kam plötzlich, wie eine Offenbarung, und gefiel mir nicht. Später, als ich mich an diesen Moment der Überraschung erinnerte, wurde mir klar, dass das Bedürfnis nach Schlaf, Vergessenheit und Bewusstlosigkeit geringer wurde - ich habe gut geschlafen, wie Moisei Moiseevich Kuznetsov, unser Schmied, ein kluger von den klugen Mädchen, sagte.

Es gab anhaltende Schmerzen in den Muskeln. Was für Muskeln ich damals hatte - ich weiß es nicht, aber der Schmerz in ihnen war, es ärgerte mich, erlaubte mir nicht, mich vom Körper abzulenken. Dann hatte ich etwas anderes als Wut oder Wut, die mit Wut existiert. Es herrschte Gleichgültigkeit – Furchtlosigkeit. Ich erkannte, dass es mir egal war, ob sie mich schlagen würden oder nicht, ob sie mir Abendessen und Rationen geben würden oder nicht. Und obwohl sie mich bei der Aufklärung auf einer unbegleiteten Geschäftsreise nicht geschlagen haben - sie haben mich nur in den Minen geschlagen -, habe ich mich an die Mine erinnert und meinen Mut an der Mine gemessen. Mit dieser Gleichgültigkeit, dieser Furchtlosigkeit wurde eine Art Brücke vor dem Tod umgeworfen. Das Bewusstsein, dass es kein Schlagen geben würde, kein Schlagen und kein Schlagen, brachte neue Kräfte, neue Gefühle hervor.

Auf Gleichgültigkeit folgte Angst – keine sehr starke Angst – die Angst, dieses rettende Leben zu verlieren, diese rettende Arbeit einer gekochten Fritteuse, einen hohen kalten Himmel und schmerzende Schmerzen in abgenutzten Muskeln. Mir wurde klar, dass ich Angst hatte, von hier in die Mine zu gehen. Ich fürchte, das ist alles. Ich habe in meinem ganzen Leben nie nach dem Besten des Guten gesucht. Das Fleisch auf meinen Knochen wuchs von Tag zu Tag. Neid war der Name des nächsten Gefühls, das zu mir zurückkam. Ich beneidete meine toten Kameraden - Menschen, die im achtunddreißigsten Jahr starben. Ich beneidete die lebenden Nachbarn, die etwas kauen, die Nachbarn, die etwas rauchen. Ich habe den Chef, den Vorarbeiter, den Vorarbeiter nicht beneidet – es war eine andere Welt.

Die Liebe kam nicht zu mir zurück. Ach, wie weit ist die Liebe vom Neid, von der Angst, vom Zorn. Wie wenig Liebe Menschen brauchen. Liebe kommt, wenn alle menschlichen Gefühle bereits zurückgekehrt sind. Die Liebe kommt zuletzt, kommt zuletzt zurück, und kommt sie zurück? Aber nicht nur Gleichgültigkeit, Neid und Angst erlebten meine Rückkehr ins Leben. Mitleid mit zurückgegebenen Tieren vor Mitleid mit Menschen.

Als der Schwächste in dieser Welt der Gruben und Erkundungsgräben arbeitete ich mit einem Topographen – ich schleppte eine Schiene und einen Theodoliten hinter dem Topographen her. Es kam vor, dass der Topograph wegen der Geschwindigkeit der Bewegung die Theodolitgurte hinter seinem Rücken anlegte, und ich bekam nur die leichteste Schiene, die mit Zahlen bemalt war. Der Topograph war einer der Gefangenen. Mit ihm für Mut - in diesem Sommer gab es viele Flüchtlinge in der Taiga - trug der Topograph ein Kleinkalibergewehr und bat seine Vorgesetzten um Waffen. Aber das Gewehr war nur im Weg. Und das nicht nur, weil es ein Extra auf unserer schwierigen Reise war. Wir setzten uns zur Rast auf eine Lichtung, und der Topograph, der mit einem Kleinkalibergewehr spielte, zielte auf einen Rotbrustgimpel, der aufflog, um sich die Gefahr genauer anzusehen, sie beiseite zu schieben. Wenn nötig, opfere dein Leben. Das Gimpelweibchen saß irgendwo auf ihren Eiern – nur das erklärte den wahnsinnigen Mut des Vogels. Der Topograph hob sein Gewehr, und ich schob die Mündung beiseite.

Legen Sie Ihre Waffe weg!
- Ja, was bist du? Verrückt geworden?
"Lass den Vogel, und das war's."
- Ich werde dem Boss Bericht erstatten.
„Zum Teufel mit dir und deinem Boss.

Aber der Topograph wollte sich nicht streiten und sagte dem Chef nichts. Ich erkannte, dass etwas Wichtiges zu mir zurückgekehrt war.

Seit vielen Jahren habe ich keine Zeitungen und Bücher gesehen, und vor langer Zeit habe ich mir beigebracht, diesen Verlust nicht zu bereuen. Alle fünfzig meiner Nachbarn im Zelt, in dem zerlumpten Segeltuchzelt, dachten genauso - keine einzige Zeitung, kein einziges Buch erschien in unserer Baracke. Die höheren Autoritäten - der Vorarbeiter, der Geheimdienstchef, der Vorarbeiter - stiegen ohne Bücher in unsere Welt hinab.

Meine Zunge, eine rauhe Minenzunge, war arm, ebenso arm waren die Gefühle, die noch neben den Knochen lebten. Aufstehen, Arbeit, Scheidung, Mittagessen, Feierabend, Licht aus, Bürgerchef, lass mich wenden, schaufeln, graben, ich gehorche, bohren, hacken, draußen ist es kalt, Regen, kalte Suppe, heiße Suppe, Brot, Rationen, ein Rauch - zwei Ich schaffte mehr als ein Jahr lang Dutzende von Wörtern. Die Hälfte dieser Wörter waren Schimpfwörter. Es gab in meiner Jugend, in meiner Kindheit, eine Anekdote, wie ein Russe in einer Erzählung über eine Auslandsreise mit nur einem Wort in verschiedenen Tonkombinationen auskam. Der Reichtum des russischen Fluchens, seine unerschöpfliche Anstößigkeit, wurde mir nicht in der Kindheit und nicht in der Jugend offenbart. Ein Witz mit einem Fluch hier sah aus wie die Sprache eines Institutsmädchens. Aber ich suchte nicht nach anderen Wörtern. Ich war froh, dass ich nicht nach weiteren Worten suchen musste. Ob diese anderen Wörter existieren, wusste ich nicht, ich wusste nicht, wie ich diese Frage beantworten sollte.

Ich war erschrocken, fassungslos, als in meinem Gehirn genau hier - ich erinnere mich genau - unter dem rechten Scheitelbein - ein Wort geboren wurde, das für die Taiga völlig ungeeignet war, ein Wort, das ich selbst nicht verstand, nicht nur meine Kameraden . Ich rief dieses Wort, stand auf der Koje und drehte mich zum Himmel, zur Unendlichkeit:

Maxime! Maxime!
Und lachte.

Maxime! - Ich schrie direkt in den nördlichen Himmel, in die doppelte Morgendämmerung, schrie und verstand noch nicht die Bedeutung dieses in mir geborenen Wortes. Und wenn dieses Wort zurückgegeben, wiedergefunden wird, um so besser, um so besser! Große Freude erfüllte mein ganzes Wesen.

Maxime!
- Das ist Psycho!
-- Psycho und es gibt! Du bist Ausländer, oder? fragte der Bergbauingenieur Wronski, derselbe Wronski, ätzend. "Drei Tabake".

Wronski, lass mich rauchen.
-- Nein ich habe nicht.
- Nun, mindestens drei Tabake.
- Drei Tabake? Bitte.

Aus einem Beutel voller Shag wurden mit einem schmutzigen Fingernagel drei Tabake herausgezogen.
-- Ausländer? - Die Frage übersetzte unser Schicksal in die Welt der Provokationen und Denunziationen, Konsequenzen und Erweiterungen des Begriffs.

Aber Wronskis provozierende Frage war mir egal, der Fund war zu groß.
-- Eine Maxime!
- Psycho und es gibt.

Das Gefühl der Wut ist das letzte Gefühl, mit dem ein Mensch in Vergessenheit geraten ist, in eine tote Welt. Ist es tot? Nicht einmal der Stein schien mir tot zu sein, ganz zu schweigen von dem Gras, den Bäumen, dem Fluss. Der Fluss war nicht nur die Verkörperung des Lebens, nicht nur ein Symbol des Lebens, sondern das Leben selbst. Ihre ewige Bewegung, unaufhörliches Gebrüll, irgendeine Art von Gespräch, ihr eigenes Geschäft, das das Wasser durch den Gegenwind stromabwärts fließen lässt, durch die Felsen bricht, die Steppen, Wiesen überquert. Der Fluss, der das sonnengetrocknete, kahle Bett veränderte und sich als kaum sichtbarer Wasserfaden irgendwo in den Steinen seinen Weg bahnte, seiner ewigen Pflicht gehorchend, wie ein Bach, der die Hoffnung auf die Hilfe des Himmels – auf die Rettung – verloren hatte Regen. Das erste Gewitter, der erste Platzregen – und das Wasser wechselte die Ufer, brach Felsen, warf Bäume um und stürzte wütend die gleiche ewige Straße hinunter.

Maxime! Ich selbst glaubte mir nicht, ich fürchtete beim Einschlafen, dass in der Nacht dieses Wort, das zu mir zurückgekehrt war, verschwinden würde. Aber das Wort verschwand nicht.

Maxime. Lassen Sie sie den Fluss, an dem unser Dorf stand, unsere Geschäftsreise, "Rio-rita" umbenennen. Warum ist es besser als "Sentence"? Der schlechte Geschmack des Besitzers der Erde - der Kartograf hat Rio-ritu auf den Weltkarten eingeführt. Und es kann nicht behoben werden.

In diesem Wort lag etwas Römisches, Solides, Lateinisches. Das antike Rom war für meine Kindheit die Geschichte des politischen Kampfes, des Kampfes der Menschen, und das antike Griechenland war das Reich der Kunst. Obwohl es im antiken Griechenland Politiker und Mörder gab, gab es im antiken Rom viele Künstler. Aber meine Kindheit hat diese beiden sehr unterschiedlichen Welten zugespitzt, vereinfacht, eingeengt und getrennt. Eine Maxime ist ein römisches Wort. Eine Woche lang verstand ich nicht, was das Wort „Maxime“ bedeutete. Ich habe dieses Wort geflüstert, es herausgeschrien, mich erschreckt und die Nachbarn mit diesem Wort zum Lachen gebracht. Ich verlangte von der Welt, vom Himmel, Hinweise, Erklärungen, Übersetzungen. Und eine Woche später verstand ich – und schauderte vor Angst und Freude vor Angst – weil ich Angst hatte, in diese Welt zurückzukehren, wo es für mich keine Rückkehr gab. Freude - weil ich sah, dass das Leben gegen meinen Willen zu mir zurückkehrte.

Es dauerte viele Tage, bis ich lernte, aus den Tiefen des Gehirns immer neue Wörter nacheinander zu rufen. Jeder kam mit Mühe, jeder tauchte plötzlich und einzeln auf. Gedanken und Worte kamen nicht in einem Strom zurück. Jeder kehrte einzeln zurück, ohne einen Konvoi anderer vertrauter Wörter, und tauchte zuerst in der Sprache und dann im Gehirn auf.

Und dann kam der Tag, an dem alle, alle fünfzig Arbeiter, ihre Jobs kündigten und ins Dorf rannten, zum Fluss, aus ihren Gruben, Gräben kamen, ungesägte Bäume zurückließen, ungekochte Suppe im Kessel. Alle rannten schneller als ich, aber ich humpelte rechtzeitig und half mir bei diesem Lauf den Berg hinunter mit meinen Händen.

Der Häuptling kam aus Magadan. Der Tag war klar, heiß, trocken. Auf einem riesigen Lärchenstumpf, der am Eingang des Zeltes stand, stand ein Grammophon. Das Grammophon spielte, übertönte das Zischen der Nadel, spielte eine Art Symphonie Musik.

Und alle standen herum - Mörder und Pferdediebe, Diebe und Fraers, Vorarbeiter und Schwerarbeiter Und der Chef stand daneben Und sein Gesichtsausdruck war, als hätte er diese Musik für uns geschrieben, für unsere ferne Taiga-Geschäftsreise Die Schellackplatte drehte und zischte , der Stumpf selbst drehte sich, war in all seinen dreihundert Kreisen aufgewickelt, wie eine straffe Feder, dreihundert Jahre lang verdreht.

ES WÄRE FALSCH, DIE GESAMTE BEDEUTUNG VON SHALAMOVS ERFAHRUNG NUR AUF PHYSIOLOGISCHE PROBLEME ZU REDUZIEREN, DA PHYSIOLOGISCHE PROBLEME EINE DIREKTE FORTSETZUNG VON SPIRITUELLEN SIND UND ES HEUTE KEINEN GEIST AUF DER ERDE GIBT.

DENN DER GEIST IST DIE EINZIGE BEDINGUNG VON ANFANG DER SCHÖPFUNG, DIE DEM MENSCH EIN UNABHÄNGIGES LEBEN IN DER NATUR ERLAUBT, EIN LEBEN OHNE BEDÜRFNISSE. DIES WIRD DURCH ALLE ALTEN LEHREN UND PRAKTIKEN BESTÄTIGT. ABER DIE MENSCHHEIT HAT IN DER GANZEN GESCHICHTE NIEMALS VERSUCHT, DEM WEG DES GEISTES ZU FOLGEN, OHNE ZU SCHMECKEN, WAS ER IST.

Es ist jedoch unmöglich, hier im Zusammenhang mit den Hauptmerkmalen von Shalamovs Werk die Tatsachen zu ignorieren, die bestätigen, dass die Gesellschaft nur weiterhin die Wahrheit verdeckt, dass er selbst im Großen und Ganzen nur eine falsche Maskerademaske ist, hinter der sich etwas völlig anderes verbirgt - seine Unzuverlässigkeit und DIE VOLLE UNSICHERHEIT DER MENSCHLICHEN IN DIESER WELT, DIE SIE NICHT VOLLSTÄNDIG VERSTANDEN HABEN. Erinnern wir uns an den letzten, für die meisten unerwarteten, nur klingelnden Erinnerungswecker, den der Mensch von der Natur erhielt und der erneut das Versagen der Gesellschaft aufdeckt – Japan.

IST ES ZEIT FÜR DEN MENSCH AUFZUWACHEN?

REFERENZ:

"Trotz des Eindrucks, den Sie erwecken, hungern weniger als 8 % der unterernährten Menschen der Welt aufgrund von Notfällen, die den Medien zu entnehmen sind. Nur wenige Menschen wissen, dass über eine Milliarde hungernder Menschen auf unserem Planeten keine Schlagzeilen machen. , was ist gleich der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, Japans und der Europäischen Union zusammen. Sie sind Menschen jeden Alters, von der Kindheit, deren Mütter nicht genug Muttermilch produzieren können, bis zu älteren Menschen, die keine Verwandten haben, die dies könnten. Sie sind arbeitslose städtische Slums Landbewohner, landlose Bauern, die fremdes Land bewirtschaften, Waisenkinder von Aids-Kranken und Patienten, die eine spezielle intensive Ernährung zum Überleben brauchen.

4 - Wo wohnen die Hungrigen?

Der Anteil der Hungernden ist in Ost-, Zentral- und Südafrika am höchsten. Etwa drei Viertel der unterernährten Menschen leben in den ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer mit den niedrigsten Pro-Kopf-Einkommen. Allerdings ist die Zahl der Hungernden in den Städten in letzter Zeit ebenfalls gestiegen.

Von den einer Milliarde hungernden Menschen auf unserem Planeten leben mehr als die Hälfte in Asien und im Pazifik, und etwa ein Viertel der Hungernden lebt in Subsahara-Afrika.

5 - Nimmt die Zahl der Hungernden auf der Welt ab?

Während in den 1980er und der ersten Hälfte der 1990er Jahre erhebliche Fortschritte bei der Reduzierung der Zahl der Unterernährten erzielt wurden, ist die Zahl der Unterernährten laut FAO im letzten Jahrzehnt langsam aber stetig gestiegen. In den Jahren 1995-97 und 2004-2006 nahm ihre Zahl in allen Regionen außer Lateinamerika und der Karibik zu. Aber auch in diesen Regionen wurden die Erfolge im Kampf gegen den Hunger durch hohe Ölpreise und das Einsetzen der Weltwirtschaftskrise wieder zunichte gemacht.“

In der Kaserne spielen die Konogons Karten. Die Wachen schauen nie hinein, sie beobachten die Sträflinge unter dem achtundfünfzigsten Artikel, also ist es sicher, mit den von Pferden gezogenen Pferden zu spielen. Jede Nacht versammeln sich dort Diebe und veranstalten im Licht einer selbstgebauten Glühbirne - "Kolyma" auf einem schmutzigen Kissen - Kämpfe. Die Karten sind selbstgemacht, aus ausgeschnittenen Bögen aus Hugos Band. Diesmal spielten der kartenkundige Sevochka, ein Experte für Kartenspiele, und Naumov, der Vorarbeiter der Konogonov, ein Eisenbahndieb aus dem Kuban.

Der Erzähler und der ehemalige Textilingenieur Garkunov leisten Nachtarbeit und sägen Brennholz für die Pferdebaracken. Nach der Arbeit bekommen sie Essen und schauen sich das Spiel an. Naumov verlor eine Hose und eine Jacke mit einem Hemd, dann ein Kissen und eine Decke, ein ukrainisches Handtuch mit Hähnen, ein Zigarettenetui mit einem geprägten Profil von Gogol. Gemäß den Regeln kann der Kampf nicht vorbei sein, solange es etwas zu verlieren gibt. Als nichts mehr übrig ist, bietet Naumov einschmeichelnd an, für einen Auftritt zu spielen - auf Kredit. Dies ist optional, aber Sevochka gibt ihm die Chance, zurückzugewinnen, und gibt ihm eine Stunde Einführung. Naumov gewann Decke, Kissen, Hose zurück und verlor wieder alles. Sevochka legte den Gewinn in einen Sperrholzkoffer. Naumov untersucht den Erzähler und Garkunov, verlangt, ihre Steppjacken auszuziehen. Garkunov hat unter seiner Steppjacke einen roten Wollpullover - die letzte Übertragung seiner Frau. Naumov verlangt, es zu entfernen. Sevochka betrachtet das wertvolle Ding anerkennend: Waschen Sie es und Sie können es tragen. Garkunov antwortet, dass er den Pullover nur mit der Haut ausziehen wird. Sie schlagen ihn nieder, er beißt, Sashka, Naumovs Ordonnanz, sticht mit einem Messer auf ihn ein. Dem Toten wird ein Pullover ausgezogen, das Blut auf dem Rot ist unsichtbar. Sevochka legt den Pullover in den Koffer. Das Spiel ist vorbei, der Erzähler erklärt, dass er sich einen neuen Partner zum Brennholzsägen suchen muss.

Maxime

Einer nach dem anderen kommen neue Leute ins Lager, sie sehen alle aus wie Tote. Das letzte Gefühl für den Erzähler ist nicht Gleichgültigkeit, sondern Wut. Nachbarn tauchen auf und verschwinden für immer, der Held fragt sie nichts. Bosheit in seinem Herzen bewahrend, wartet er auf den Tod, aber stattdessen wird das Leben durch eine halbbewusste Existenz ersetzt. Der Erzähler arbeitet als Heizer – das ist ein leichter, aber auch schwerer Job: Er hat keine Zeit, Brennholz zu hacken, er kann nicht rechtzeitig Wasser kochen, die Entfernung von zweihundert Metern vom Zelt zur Arbeit scheint ihm endlos , und die Zweihandsäge ist unglaublich schwer.

Keiner der Siedler achtete auch nur darauf, ob das Wasser kochte – Hauptsache es ist heiß. Der Held ernährt sich von dem, was er bekommt. Trotz der mageren Ernährung, erfrorenen, eitrigen Gliedmaßen stirbt er nicht und lebt im Nebel. Doch eines Tages merkt der Erzähler, dass er das Stöhnen und Keuchen seiner Kameraden hört, und von diesem Moment an lässt das Bedürfnis zu vergessen nach. Muskeln begannen zu schmerzen, er begann seinen Körper zu spüren. Wut wurde durch Gleichgültigkeit ersetzt – Furchtlosigkeit, es war ihm egal, ob sie ihn schlagen würden oder nicht, ob er gefüttert wurde oder nicht. Aber sie schlugen nur auf die Minen, und das beruhigte und gab Kraft.

Gleichgültigkeit wird durch Angst ersetzt - eine Person hat Angst, die lebensrettende Arbeit eines gekochten Mannes zu verlieren, Angst, in eine Mine zu gehen. Dann kommt der Neid von toten und lebenden Kameraden. Der Erzähler bedauert, dass das Gefühl der Liebe nicht zurückgekehrt ist, aber nachdem er den Topographen daran gehindert hat, den Gimpel zu erschießen, der das Nest bewacht, stellt er fest, dass etwas anderes Wichtiges zurückgekehrt ist. Die verarmte Sprache und Gefühle des Helden sind arm: zwei Dutzend Wörter, die Hälfte davon sind Flüche. Der Erzähler suchte nicht nach anderen Wörtern und war erstaunt, als plötzlich das Wort „Maxime“ „für die Taiga ungeeignet“ in seinem Kopf geboren wurde. Das Wort betäubt einen Menschen, und er ruft es der ganzen Taiga zu, versteht seine Bedeutung noch nicht, freut sich aber, es zu finden. Und selbst eine provokative Frage, ob er Ausländer sei, lässt ihn das Wort nicht vergessen. Es ist etwas Solides, Römisches darin. Nur eine Woche später versteht der Erzähler, was es bedeutet und erkennt, dass er wiedergeboren wird. Neue Wörter kommen nur schwer wieder, aber es werden immer mehr. Dann kam der Tag, an dem die Arbeiter Arbeit und Essen verließen und ins Dorf rannten: Der Häuptling von Magadan traf ein. Auf einem Baumstumpf am Eingang des Zeltes spielt ein Grammophon, und daneben stehen Mörder, Pferdediebe, Diebe, Fraera, Vorarbeiter und Schwerarbeiter. Der Chef sieht aus, als hätte er diese Musik selbst geschrieben: „Die Schellackplatte wirbelte und zischte, der Stumpf selbst wirbelte, drehte sich alle seine dreihundert Runden, wie eine gespannte Feder, verdreht seit dreihundert Jahren ...“

Lebensechtheit von "Kolyma-Geschichten" von V. Shalamov

„Kolyma-Geschichten“ Shalamov schuf von 1954 bis 1973. Der Schriftsteller teilte sie in sechs Bücher ein: „Kolyma-Geschichten“, „Left Bank“, „Künstler einer Schaufel“, „Essays über die Unterwelt“, „Auferstehung einer Lärche“ und "Handschuh oder KR -2". Die schreckliche Langzeitlagererfahrung des Schriftstellers, die aus übermenschlichen Prüfungen bestand - Tod, Hunger und Kälte, Demütigung - bildeten die Grundlage von Shalamovs Prosa. Es enthält die Wahrheit über die Jahre des Terrors. Jede Geschichte beschreibt das Gefängnis- und Lagerleben der Gulag-Häftlinge, das tragische Schicksal von Menschen, die auf den Willen des Zufalls angewiesen sind, Bosse und Diebe. Ein Querschnittsthema der Geschichten ist ein Mann unter unmenschlichen Bedingungen.

Die Wahrheit über die Lager ist gnadenlos, Shalamov zeigt dem Leser schreckliche Details und spricht als ihr Zeuge. Im Lager verlor ein Mensch alles, was ihn mit seinem früheren Leben vor dem Lager, das Shalamov das „erste“ nennt, verband, ein zweites Leben begann, und alle Lebenserfahrung musste neu erworben werden. Das Schicksal des Gefangenen wird vom Zufall bestimmt. Die Intellektuellen, politische Gefangene, die sogenannten Volksfeinde, wurden ausgeliefert, um von Kriminellen in Stücke gerissen zu werden. Erniedrigung, Mobbing, Schläge, Gewalt – eine Selbstverständlichkeit im Camp.

Demütigung war schlimmer als Hunger und Krankheit, sie senkten einen Menschen auf die Ebene eines Tieres, er hörte auf zu denken und zu fühlen und beschränkte sich auf eine halbbewusste Existenz (Bosheit wird das einzige Gefühl des Helden der Geschichte "Sentence"). Der berühmte stalinistische Slogan „Arbeit ist eine Frage der Ehre, des Ruhms, der Tapferkeit und des Heldentums“, der über den Toren jedes Lagers hängt, handelt in Wirklichkeit von Zwangsarbeit, Sklavenarbeit. So wird menschliches Leben abgewertet, die Vorstellungen von Gut und Böse verändern sich.

Wenn die moralischen und physischen Kräfte versiegen, wird ein Mensch zu einem Verlorenen mit einem verkümmerten Willen. Hunger wird zur Krankheit, zur Folter einer gequälten und gedemütigten Person, deren Hauptziel das Überleben ist. Eine weitere Facette menschlicher Demütigung ist es, sich Dieben zu unterwerfen. Der Autor schätzt diejenigen, die in der Lage sind, den Umständen auch auf Kosten des eigenen Lebens zu widerstehen. Dies ist ein künstlerisches Zeitdokument, ein Werk von großer psychologischer Wirkung. "Kolyma Tales" wurde zu einer Anklage gegen das totalitäre Sowjetregime, das die Lager hervorbrachte.

Das Lager verkörpert das absolut Böse, während die Menschen davon träumen, daraus nicht in die Freiheit, sondern ins Gefängnis zu entkommen: „Gefängnis ist Freiheit. Dies ist der einzige Ort, den ich kenne, wo die Leute ohne Angst sagten, was sie dachten. Wo sie ihre Seelen ruhten“ („Tombstone“).

Trotz der Details scheint das, was passiert, unwirklich, es ist so grausam. Aber es ist wirklich passiert, das ist unsere Geschichte.