Studie zur Entstehung des historischen Gedächtnisses der Jugend. historische Erinnerung

Bulletin der Staatlichen Universität Tscheljabinsk. 2015. Nr. 6 (361). Geschichte. Ausgabe. 63. S. 132-137.

O. O. Dmitrieva

HISTORISCHES GEDÄCHTNIS UND MECHANISMEN SEINER BILDUNG: ANALYSE DER HISTORIOGRAPHISCHEN KONZEPTE IN DER RUSSISCHEN WISSENSCHAFT

Auf der Grundlage des Studiums der Studien einheimischer Wissenschaftler wird das Konzept des "historischen Gedächtnisses" analysiert, seine Formen und Klassifizierung werden unterschieden. Als Entstehungsmechanismen werden Begriffe wie „Geschichtsbewusstsein“, „Gedenken“, „Erinnerung“, „Vergangenheitsbild“, „Erinnerungsorte“ betrachtet historische Erinnerung. Gleichzeitig wird „Erinnern“ als gezielter Vorgang des Vergessens bestimmter historischer Tatsachen analysiert. Verglichen verschiedene Deutungen die Rolle des historischen Gedächtnisses im Designprozess Nationalität. Der Artikel diskutiert die wissenschaftlichen Ansichten ausländischer Forscher zu Gedenkthemen (M. Halbvaks, P. Nora, A. Megill) sowie den Einfluss ihrer Konzepte auf die Ansichten einheimischer Wissenschaftler (G. M. Ageeva, V. N. Badmaev, M. A Barg, T. A. Bulygina, T. N. Kozhemyako, N. V. Grishina, I. N. Gorin, V. V. Menshikov, Yu. A. Levada, O. B. Leontieva, V. I. Mazhovnikov, O. V. Morozov, M. V. Sokolova, L. P. Repina).

Stichworte: historisches Gedächtnis; historisches Bewusstsein; Bild der Vergangenheit; Gedenkfeier.

Ende XX - frühes XXI v. In der Geschichtswissenschaft wird der Frage der Erinnerung viel Aufmerksamkeit geschenkt, wobei nicht ein Ereignis und Datum im Mittelpunkt der Forschung steht, sondern die Bildung der historischen Erinnerung an dieses Ereignis und Datum. „Das Interesse einheimischer Historiker am Problem des historischen Gedächtnisses erklärt sich aus der aktuellen Agenda für das moderne Russland“, bemerkt O. V. Morozov, „die Berufung auf das historische Gedächtnis beruht auf der Tatsache, dass dies seit mehr als zwanzig Jahren der Fall ist Russische Gesellschaft moralische Leitlinien, Identität sowie Ansätze zur Aufarbeitung der nationalen Vergangenheit konnten nicht ermittelt werden“1.

Trotz des aktiven Interesses der Forscher ist der konzeptionelle Apparat dieses Problems umstritten, es gibt unterschiedliche Interpretationen des Begriffs "historisches Gedächtnis", unterschiedliche Ansätze zu seiner Untersuchung. In diesem Zusammenhang ist eine historiographische Analyse dieses Problems notwendig, die der Zweck des Artikels ist. Zu ihren Aufgaben gehören die Charakterisierung der Hauptansichten der Begründer der Gedenkstättengeschichtsschreibung und ihre Widerspiegelung in den Werken russischer Forscher. Historiographische Konstanten in meiner Analyse sind das historische Gedächtnis, seine Struktur, Entstehungsmechanismen und sein Verhältnis zu historischem Wissen.

Für eine korrekte Bewertung der Arbeit einheimischer Forscher ist es zunächst einmal notwendig

1 Morozov O. W. Rev. zum Buch: Leontyeva O. B. Historische Erinnerung und Bilder der Vergangenheit in russischer Sprache Kultur XIX- Anfang des 20. Jahrhunderts. S. 374.

Wenden Sie sich den Werken eines der Gründer von Memorial Problems M. Halbvaks zu. Er war der erste, der die Interpretation des Gedächtnisses als sozial bedingtes Element des sozialen Bewusstseins und der kollektiven Identität vorschlug. Der französische Wissenschaftler glaubte, dass das Gedächtnis nicht als etwas angesehen werden kann, das nur „einem rein individuellen Körper oder Bewusstsein“ innewohnt, dass es ein völlig einzigartiges Phänomen der Bildung von Gruppenbewusstsein gibt, dessen Erforschung einen interdisziplinären Ansatz erfordert. Hervorhebung miteinander verbundener individueller Speicher basierend auf persönliche Erfahrung, und kollektives Gedächtnis2. So lenkte er in seinen Werken erstmals die Aufmerksamkeit auf die Erforschung der Erinnerung im Rahmen einer kollektiven (sozialen) Dimension und nicht nur der individuellen autobiografischen Erfahrung.

Moderne einheimische Wissenschaftler forschen an diesem Problem in einem interdisziplinären Bereich. Ein wichtiges Thema ist die Korrelation von historischem Wissen, historischem Gedächtnis und historischem Bewusstsein. M. A. Barg war einer der ersten, der dieses Problem aufwarf, weil er glaubte, dass es ein Fehler sei, historisches Bewusstsein und historisches Gedächtnis zu identifizieren, weil dies bedeute, es nur mit der Erfahrung der Vergangenheit zu identifizieren und Messungen der Gegenwart und Zukunft vorzuenthalten. Er wies darauf hin: „Das öffentliche Bewusstsein ist nicht nur deshalb historisch, weil sein Inhalt es war

2 Halbvaks M. Kollektives und historisches Gedächtnis. S. 8.

Zeit entwickelt und verändert sich, aber auch, weil sie von ihrer bestimmten Seite in die Vergangenheit „gewendet“, in die Geschichte „eingetaucht“ ist. Bei dieser Gelegenheit schreibt L. P. Repina: „Die Grundlage jeder Geschichtsschreibung ist vor allem das Geschichtsbewusstsein, das die Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet und in die Zukunft projiziert“2. Der russische Soziologe Yu. A. Levada gibt folgende Definition des Geschichtsbewusstseins: „Dieses Konzept umfasst die ganze Vielfalt spontan geformter oder wissenschaftlich geschaffener Formen, in denen sich die Gesellschaft ihrer Vergangenheit bewusst ist“3.

Wissenschaftlern zufolge ist das Konzept des historischen Bewusstseins weiter gefasst als das Konzept des historischen Gedächtnisses. Wenn sich die Erinnerung grundsätzlich der Erfahrung der Vergangenheit zuwendet, der Erfahrung der Geschichte, dann ist das historische und soziale Bewusstsein gleichsam die Verkörperung der Erfahrung der Vergangenheit, in die Gegenwart projiziert und auf die Zukunft ausgerichtet, als ob a Produkt, das im Prozess des Selbstbewusstseins der Gesellschaft entsteht, ihr Verhältnis zur Geschichte im Präsens.

Oft werden Geschichte und historische Erinnerung als Synonyme wahrgenommen, aber das ist nicht so. Laut M. V. Sokolova „zielt das Studium der Geschichte auf eine objektivere und genauere Reflexion der Vergangenheit ab. Die mündliche Tradition der Übermittlung von Informationen über die Vergangenheit ist dagegen mythologisch, gekennzeichnet durch die Tatsache, dass das Gedächtnis Informationen über die Vergangenheit auf der Grundlage der durch Gefühle und Empfindungen erzeugten Vorstellungskraft speichert und „reproduziert““4. V. N. Badmaev, der die Aufmerksamkeit auf die Frage der Beziehung zwischen Geschichte und Erinnerung lenkt, schreibt: „... Das historische Gedächtnis wird als ein stabiles System von Vorstellungen über die Vergangenheit charakterisiert, die im öffentlichen Bewusstsein existieren. Sie ist weniger von einer rationalen als vielmehr von einer emotionalen Aufarbeitung der Vergangenheit geprägt. Darin sieht er den grundlegenden Unterschied zwischen Geschichtswissenschaft und historischem Gedächtnis. Laut Badmaev ist das historische Gedächtnis selektiv, es hebt einige Fakten hervor, andere überlässt es dem Vergessen.

L.P. Repina betont in ihren Schriften, dass es unmöglich ist, eine klare Linie zwischen historischem Wissen und historischem Gedächtnis zu ziehen, da es keine signifikante Lücke zwischen ihnen gibt. „... Der wichtigste Unterschied zwischen Geschichte und Erinnerung besteht darin, dass der Historiker entdecken kann, was nicht in der Erinnerung ist, was „unvordenklich“ betrifft

1 Barg M.A. Epochen und Ideen: Die Entstehung des Historismus. S. 5-6.

2 Repina L.P. Geschichtswissenschaft. S. 479.

3 Levada Yu A. Historisches Bewusstsein und wissenschaftliche Methode. S. 191.

4 Sokolova M. V. Was ist historisches Gedächtnis. S. 37.

5 Badmaev VN Mentalität und historisches Gedächtnis. S. 79.

Zeiten" oder einfach vergessen. Dies ist eine der Hauptfunktionen der historischen Forschung "6. Ein wichtiges Forschungsthema russischer Wissenschaftler ist die Struktur des historischen Gedächtnisses, seine Formen und Klassifizierung. L.P. Repina weist darauf hin: "Das historische Gedächtnis findet seine Ausdruck in verschiedenen Formen dar. Es gibt zwei Darstellungsformen der geschichtlichen Vergangenheit: das Epos (die originalgetreue Art der Überlieferung historischer Erinnerung) und die Chronik (ursprünglich die schriftliche Form der Fixierung)“7.

I. N. Gorin und V. V. Menshchikov geben ihre Klassifizierung der Formen des historischen Gedächtnisses an: Erstens ist dies „das Gedächtnis von Generationen, übermittelt und gespeichert in Form einer mündlichen Geschichte der Gemeinschaft, die dazu neigt, Ereignisse zu transformieren, „kleine Dinge“ zu vergessen“ oder durch neue Elemente ergänzen. In diesem Prozess findet die Sakralisierung von Ereignissen statt, während der die nächste Form erscheint - Mythen. Forscher bemerken die Besonderheit des Mythos als "eine besondere Form des historischen Gedächtnisses, die es von Archetypen befreit, wir können den historischen Hintergrund reproduzieren""8.

Die nächste Form des historischen Gedächtnisses ist wissenschaftlich. Ihr folgen I. N. Gorin und

V. V. Menschtschikow hebt eine solche Form auch als kulturelle und historische Symbole hervor und glaubt, dass dies „eine Form des historischen Gedächtnisses ist, die auf der Brechung historischer Ereignisse durch das in der Gesellschaft vorherrschende System von Werten und ethischen und kulturellen Normen basiert“. Dies sind Ereignisse, Phänomene, Tatsachen und Helden der Vergangenheit, die im „historischen Gedächtnis einer bestimmten Gemeinschaft“9 einen bestimmten Bedeutungs- und Wertgehalt erhalten haben. Wissenschaftler glauben, dass dieses Konzept auch dem Konzept des "Bildes der Vergangenheit" entspricht, das in der modernen Forschung aktiv verwendet wird. Wir können uns darauf einigen, dass das Bild eines Ereignisses zunächst ein Symbol verkörpert, das bestimmte Charaktere und ein Ereignis verherrlicht. Das Symbol wird zu einer Art schematisierter Idee.

O. B. Leontieva widmet dem Problem der Bildung historischer Bilder der Vergangenheit als „Methode des Studiums des historischen Gedächtnisses“ große Aufmerksamkeit. Ihrer Meinung nach „sind es gerade die Bilder von Ereignissen und Charakteren der Vergangenheit, die in den Werken von entstanden sind künstlerische Kultur, sind die Grundlage alltäglicher Vorstellungen von der Vergangenheit“10.

6 Repina L.P. Geschichtswissenschaft. S. 435.

7 Ebenda. S. 419.

8 Gorin I. N., Menschtschikow V. V. Kulturelle und historische Symbole und historisches Gedächtnis. S. 74.

9 Ebenda. S. 76.

10 Leontyeva O. B. Historische Erinnerung und Bilder der Vergangenheit.

Der Forscher stellt fest, dass das Studium von Bildern der Vergangenheit es uns ermöglicht, den visuellen Prozess der Umwandlung von Tatsachen der Realität in Tatsachen der historischen Erinnerung zu verfolgen.

Zweifellos ist das Bild der Vergangenheit die grundlegende Grundlage des historischen Gedächtnisses. Mit Hilfe eines Komplexes fragmentarischer Erinnerungen, alltäglicher Vorstellungen von Geschichte haben wir die Möglichkeit, das Phänomen des historischen Gedächtnisses zu beobachten und zu studieren. Bilder der Vergangenheit existieren in verschiedenen Formen. Dies können Bilder bestimmter historischer Ereignisse, einzelner historischer Persönlichkeiten, sozialer Gruppen oder kollektiver Typen sein. Veranstaltungsbild bzw historische Figur basiert in der Regel auf einem Komplex unsystematischer Erinnerungen. Im Laufe der Zeit, wenn die erlebten Ereignisse Geschichte werden, wenn es immer weniger Zeitgenossen gibt, wird das Bild immer mehr transformiert und modifiziert, entfernt sich immer mehr von der historischen Realität. Der Komplex der Bilder der Vergangenheit bildet also das historische Gedächtnis.

Besonderes Augenmerk legen die Forscher auf die Mechanismen der Entstehung des historischen Gedächtnisses. Aufgrund dessen werden einige Fakten vergessen und andere aktualisiert? Schließlich ist das Gedächtnis nicht chaotisch geformt, sondern basiert auf einem Komplex bestimmter Komponenten. Die Entstehung von Vergangenheitsbildern kann als grundlegender Mechanismus für die Entstehung des historischen Gedächtnisses angesehen werden.

Der Prozess der Auswahl der historischen Vergangenheit, der Aktualisierung oder des bewussten Vergessens bestimmter Tatsachen werden mit Begriffen wie Gedenken und Wiedererinnern assoziiert. Sie können als eine Vielzahl von Mechanismen zur Bildung des historischen Gedächtnisses betrachtet werden. Einer der Begründer dieser Konzepte, A. Megill, definiert Gedenken als einen Prozess, bei dem „aufgezeichnete Erinnerungen an vergangene Ereignisse zu so etwas wie Objekten religiöser Verehrung werden können“. Er glaubt, dass, wenn Anbetung entsteht, „Erinnerung zu etwas anderem wird: Erinnerung wird Gedenken“1. Seine Ansichten beeinflussten heimische Wissenschaftler. G. M. Ageeva definiert Gedenken als „Verewigung der Erinnerung an Ereignisse: den Bau von Denkmälern, die Organisation von Museen, die Definition bedeutende Daten, Feiertage, Massenveranstaltungen und vieles mehr»2.

So wird Gedenken als zielgerichtete Aktualisierung des Geschichtlichen verstanden

1 Megill A. Historische Erkenntnistheorie. S. 110.

2 Ageeva G. M. Praktiken des virtuellen Gedenkens in der Bibliotheks- und Informationssphäre. S. 156.

cal Speicher. Badmaev stellt fest, dass „das historische Gedächtnis auf eine besonders eigentümliche Weise auf tragische und dramatische Ereignisse Geschichte: Kriege, Revolutionen, Repressionen. Solche Perioden sind gekennzeichnet durch die Destabilisierung sozialer Strukturen, das Anwachsen von Widersprüchen und Konflikten“3. Im Kontext einer solchen Destabilisierung der Gesellschaft spielen Erinnerungspraktiken eine nicht unerhebliche Rolle. N. V. Grishina, der das Konzept von A. Megill analysiert, glaubt, dass Gedenken „eine Art Weg ist, die Gemeinschaft zusammenzuhalten, zielgerichtetes Erinnern“4. Der Forscher stimmt auch mit A. Megill überein, dass „Gedenken in der Gegenwart aus dem Wunsch einer Gemeinschaft entsteht, die in existiert dieser Moment, um das Gefühl der Einheit und Gemeinschaft zu bestätigen und die Bindungen innerhalb der Gemeinschaft durch die von ihren Mitgliedern geteilte Haltung zu stärken<...>zur Darstellung vergangener Ereignisse.

Das Gegenteil von Gedenken ist der Prozess des Erinnerns als ein gezielter und bewusster Prozess des Vergessens bestimmter tragischer, schmerzhafter Seiten der Geschichte für die Gesellschaft, des Schweigens über die Verbrechen, die von der einen oder anderen Gemeinschaft in der Vergangenheit begangen wurden. Der Vorgang des „Vergessens“ ist unserer Meinung nach auch als einer der Mechanismen der historischen Gedächtnisbildung zu interpretieren. Wie läuft der Prozess der Auswahl historischer Fakten ab, die zur Grundlage für die Formierung des historischen Gedächtnisses geworden sind? V. N. Badmaev stellt fest, dass die Ursachen des Vergessens unterschiedlich sein können, aufgrund von Schuldgefühlen oder „Kliotrauma“. L. P. Repina glaubt, dass „die bewusste Manipulation des öffentlichen Bewusstseins einer der Gründe für den Prozess des Vergessens sein kann“6. O. B. Leontieva betont „die selektive und kreative Natur des historischen Gedächtnisses, während das Vergessen sein integrales Element ist, mit dessen Hilfe ein ganzheitliches Bild der Vergangenheit mit innerer Logik aufgebaut wird“7. Daher ist die Untersuchung der Selektivität des historischen Gedächtnisses eines der umstrittenen Probleme. Der Prozess des Vergessens kann durchaus zielführend sein, wenn die unangenehmen Tatsachen der Geschichte bewusst aus dem Gedächtnis der Gesellschaft gelöscht und aktualisiert werden

3 Badmaev VN Mentalität und historisches Gedächtnis. S. 80.

4 Grishina N. V. V. O. Klyuchevskys Schule für Geschichtswissenschaft und Russische Kultur. S. 24.

5 Megill A. Historische Erkenntnistheorie. S. 116.

6 Repina L. P., Zvereva V. V., Paramonova M. Yu. Geschichte des historischen Wissens. S. 11-12.

7 Leontyeva OB Historische Erinnerung und Bilder der Vergangenheit. S. 13.

heroische Meilensteine ​​der Vergangenheit des Landes.

Bei der Untersuchung des historischen Gedächtnisses ist es notwendig, einen weiteren konzeptuellen, unbestreitbar wichtigen Mechanismus seiner Entstehung zu analysieren - die Schaffung von "Erinnerungsstätten". Inländische Forscher wurden von dem Konzept von P. Nora beeinflusst, der schrieb: „Erinnerungsorte sind die Überreste. Die extreme Form, in der Erinnerungsbewusstsein in der Geschichte existiert<...>Museen, Archive, Friedhöfe, Sammlungen, Feiertage, Jubiläen, Traktate, Protokolle, Denkmäler, Tempel, Vereine – all diese Werte an sich sind Zeugen einer anderen Zeit, Illusionen der Ewigkeit. Es besteht eine enge Verbindung zwischen Erinnerungspraktiken und Erinnerungsorten. Darüber hinaus hat die Gedenkgeschichtsschreibung die Vorstellung entwickelt, dass Bilder der Vergangenheit nicht ohne Erinnerungsorte existieren können, da sie einer spezifischen Form der Fixierung bedürfen, auf deren Grundlage sie geformt werden können. Erinnerungsorte sind dabei eines der Grundelemente, um Bilder der Vergangenheit zu konstruieren und zu visualisieren.

Bei der Analyse der Merkmale des historischen Gedächtnisses tritt das politische Motiv für seine Konstruktion in den Vordergrund. Die Behörden nutzen gezielt die Mechanismen der historischen Gedächtnisbildung, um die Gesellschaft zu festigen, ein gemeinsames Verständnis der Gemeinsamkeiten ihrer Vergangenheit, ihres nationalen Erbes und ihrer nationalen Identität zu entwickeln. Gleichzeitig verläuft der Prozess der historischen Gedächtnisbildung parallel zur Bildung einer allgemeinen Einstellung zur Macht im Allgemeinen. T. A. Bulygina und T. N. Kozhemyako stellen fest, dass „das historische Gedächtnis der Gesellschaft nach verschiedenen Mustern modelliert ist, die von den Behörden und der Opposition über viele Jahrzehnte der nationalen Geschichte entwickelt wurden“2.

Die Verbindung zwischen historischem Gedächtnis und politischen Strukturen wird von V. I. Mazhnikov festgestellt, der glaubt, dass die Aktualisierung des Studiums der historischen politische Elite bei der Aktivierung der Wirkung auf das Massenbewusstsein der Öffentlichkeit“3.

„Die politische Manipulation des historischen Gedächtnisses ist ein mächtiges Mittel, um das Bewusstsein einer Person und der Gesellschaft zu kontrollieren“, bemerkt L. P. Repina, „nicht nur offizielle Behörden, sondern auch die der Opposition sind damit beschäftigt, akzeptable Versionen des historischen Gedächtnisses zu konstruieren.

1 Nora P. Frankreich - Erinnerung. S. 26.

2 Bulygina T. A. Historische Erinnerung und Jahrestage in Russland im XX-XXI Jahrhundert. S. 63.

3 Mazhnikov V. I. Historische Erinnerung an Stalingrad

Schlacht. S. 8.

Kräfte und verschiedene soziale Bewegungen. Wir können zustimmen, dass sich der Kampf um die politische Führung oft als Rivalität zwischen verschiedenen Versionen des historischen Gedächtnisses manifestiert verschiedene Charaktere ihre Größe.

Damit ist das Problem des historischen Gedächtnisses in der modernen Geschichtswissenschaft relevant und zugleich umstritten. Die Aktualisierung dieses Problems ist durchaus verständlich, denn in der modernen Gesellschaft, im Kontext von Globalisierung, Umdenken der Menschheitsgeschichte, Informationskrieg und politischer Instabilität, wird ein gemeinsames Erbe, ein gemeinsames historisches Gedächtnis grundlegend und Schlüsselelement Bildung nationaler Identität und nationaler Einheit. Dieser gesellschaftlichen Bedeutung sollte auch die Entwicklung, wenn nicht einheitlicher Sichtweisen auf dieses Problem, so doch eines einheitlichen Begriffsapparates entsprechen. Dies sollte die wissenschaftlichen Diskussionen weg vom scholastischen Definitionsstreit hin zu einer sinnvolleren Untersuchung sowohl des historischen Gedächtnisses als auch der Mechanismen seiner Entstehung führen.

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Dmitrieva Olga Olegovna - Postgraduierte der Abteilung für Geschichte und Kultur Ausland Chuvash State University, benannt nach I. N. Ulyanov. [E-Mail geschützt]

Bulletin der Staatlichen Universität Tscheljabinsk. 2015. Nr. 6 (361). Geschichte. Ausgabe 63. S. 132-137.

HISTORISCHES GEDÄCHTNIS UND MECHANISMEN SEINER BILDUNG: ANALYSE DER HISTORIOGRAPHISCHEN KONZEPTE IN DER HAUSWISSENSCHAFT

Postgraduierter Student der Abteilung für Geschichte und Kultur des Auslands, Chuvash State University.

[E-Mail geschützt]

Studien russischer Wissenschaftler bilden die Grundlage dieser Arbeit, um das Konzept des „historischen Gedächtnisses“ zu analysieren und seine Form und Klassifizierung aufzudecken. Begriffe wie „Geschichtsbewusstsein“, „Gedenken“, „Erinnerung“, „Bild von die Vergangenheit", "Erinnerungsort" werden als Mechanismen der Bildung historischer Erinnerung gesehen. Das "Erinnern" wird als zielgerichteter Vorgang des Vergessens bestimmter historischer Tatsachen analysiert. Unterschiedliche Interpretationen der Rolle der Erinnerung im Prozess der Konstruktion einer nationalen Identität liegen vor Der Artikel beschreibt die wissenschaftlichen Ansichten ausländischer Gelehrter, die Gedenkthemen erforschen (M. Halbwachs, P. Nora, A. Megill), sowie den Einfluss ihrer Ansichten auf die Konzepte nationaler Gelehrter (G. M. Ageeva, V. N. Badmaev, M. A. Barg , T. A. Bulygina, T. N. Kozhemyako, N. V. Grishina, I. N. Gorin, V. V. Menshikov, Y. A. Levada, O. B. Leontieva, V. I. Mazhovnikov, O. V. Morozov, M. V. Sokolova, L. P. Repina).

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Einer von wesentliche Qualitäten, das den Menschen seit jeher vom Tier unterscheidet, gilt zweifellos als Erinnerung. Die Vergangenheit ist für einen Menschen die wichtigste Quelle für die Bildung des eigenen Bewusstseins und die Bestimmung seines persönlichen Platzes in der Gesellschaft und der Welt um ihn herum.

Gedächtnisverlust, eine Person verliert die Orientierung in der Umwelt, soziale Bindungen brechen zusammen.

Was ist kollektives historisches Gedächtnis?

Erinnerung ist kein abstraktes Wissen von irgendwelchen Ereignissen. Erinnerung ist Lebenserfahrung, Wissen um erlebte und gefühlte Ereignisse, emotional reflektiert. Das historische Gedächtnis ist ein kollektives Konzept. Es liegt in der Bewahrung der Öffentlichkeit sowie im Verständnis historischer Erfahrung. Das kollektive Gedächtnis von Generationen kann sowohl bei Familienmitgliedern, der Bevölkerung der Stadt als auch bei der ganzen Nation, dem ganzen Land und der ganzen Menschheit bestehen.

Entwicklungsstufen des historischen Gedächtnisses

Es muss verstanden werden, dass sowohl das kollektive als auch das individuelle historische Gedächtnis mehrere Entwicklungsstufen hat.

Erstens ist es Vergessen. Nach einer gewissen Zeit neigen Menschen dazu, Ereignisse zu vergessen. Es kann schnell passieren, oder es kann in ein paar Jahren passieren. Das Leben steht nicht still, die Reihe der Episoden wird nicht unterbrochen und viele von ihnen werden durch neue Eindrücke und Emotionen ersetzt.

Zweitens stoßen Menschen in wissenschaftlichen Artikeln immer wieder auf vergangene Tatsachen, literarische Werke und Medien. Und überall kann die Interpretation der gleichen Ereignisse sehr unterschiedlich sein. Und nicht immer lassen sie sich dem Konzept des „historischen Gedächtnisses“ zuordnen. Jeder Autor trägt die Argumente der Ereignisse auf seine eigene Weise vor und bringt seine eigene Sichtweise und persönliche Haltung in die Erzählung ein. Dabei spielt es keine Rolle, um welches Thema es sich handelt – Weltkrieg, All-Union-Aufbau oder die Folgen eines Orkans.

Leser und Zuhörer nehmen das Ereignis mit den Augen eines Reporters oder Schriftstellers wahr. Verschiedene Versionen der Darstellung des Sachverhalts desselben Ereignisses ermöglichen es, die Meinungen verschiedener Personen zu analysieren, zu vergleichen und eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Das wahre Gedächtnis des Volkes kann sich nur mit Meinungsfreiheit entwickeln, und es wird durch totale Zensur völlig verzerrt.

Die dritte, wichtigste Stufe in der Entwicklung des historischen Gedächtnisses der Menschen ist der Vergleich von Ereignissen, die sich in der Gegenwart abspielen, mit Tatsachen aus der Vergangenheit. Die Relevanz heutiger gesellschaftlicher Probleme kann manchmal direkt mit der historischen Vergangenheit in Verbindung gebracht werden. Nur durch die Analyse der Erfahrung vergangener Erfolge und Fehler ist eine Person in der Lage, etwas zu schaffen.

Hypothese von Maurice Halbwachs

Die Theorie des historischen kollektiven Gedächtnisses hat wie jede andere ihren Begründer und ihre Anhänger. Der französische Philosoph und Soziologe Maurice Halbwachs stellte als Erster die Hypothese auf, dass die Begriffe historisches Gedächtnis und Geschichte bei weitem nicht dasselbe sind. Er war der erste, der darauf hinwies, dass die Geschichte genau dann beginnt, wenn die Tradition endet. Was in Erinnerungen noch lebendig ist, muss nicht zu Papier gebracht werden.

Die Theorie von Halbwachs bewies die Notwendigkeit, Geschichte nur für nachfolgende Generationen zu schreiben, wenn es nur noch wenige oder keine Zeugen historischer Ereignisse mehr gab. Es gab nicht wenige Anhänger und Gegner dieser Theorie. Die Zahl der letzteren stieg nach dem Krieg mit dem Faschismus, in dessen Verlauf alle Mitglieder der Familie des Philosophen getötet wurden und er selbst in Buchenwald starb.

Möglichkeiten, unvergessliche Ereignisse zu kommunizieren

Die Erinnerung der Menschen an vergangene Ereignisse wurde in verschiedenen Formen ausgedrückt. Früher war es die mündliche Weitergabe von Informationen in Märchen, Legenden und Überlieferungen. Die Charaktere waren mit den heroischen Zügen echter Menschen ausgestattet, die sich durch Heldentaten und Mut auszeichneten. Epische Geschichten haben immer vom Mut der Verteidiger des Vaterlandes gesungen.

Später waren dies Bücher, und jetzt sind die Medien die Hauptquellen für die Berichterstattung über historische Fakten. Sie prägen heute vor allem unsere Wahrnehmung und Einstellung zu den Erfahrungen der Vergangenheit, schicksalhaften Ereignissen in Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

Die Relevanz des historischen Gedächtnisses der Menschen

Warum schwindet die Erinnerung an den Krieg?

Zeit ist der beste Heiler für Schmerzen, aber der schlechteste Faktor für das Gedächtnis. Dies gilt sowohl für die Erinnerung von Generationen an den Krieg als auch allgemein für das historische Gedächtnis der Menschen. Das Löschen der emotionalen Komponente von Erinnerungen hängt von mehreren Gründen ab.

Das erste, was die Gedächtnisstärke stark beeinflusst, ist der Zeitfaktor. Mit jedem Jahr, das vergeht, rückt die Tragödie dieser schrecklichen Tage immer weiter in die Ferne. 70 Jahre sind seit dem siegreichen Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen.

Der politische und ideologische Faktor beeinflusst auch die Bewahrung der Zuverlässigkeit der Ereignisse der Kriegsjahre. Die Intensität in der modernen Welt erlaubt es den Medien, viele Aspekte des Krieges unzuverlässig zu bewerten, von einem negativen Standpunkt aus, der für Politiker bequem ist.

Und ein weiterer unvermeidlicher Faktor, der die Erinnerung der Menschen an den Krieg beeinflusst, ist natürlich. Dies ist ein natürlicher Verlust von Augenzeugen, Verteidigern des Vaterlandes, denen, die den Faschismus besiegt haben. Jedes Jahr verlieren wir diejenigen, die „lebendige Erinnerung“ tragen. Mit dem Abgang dieser Menschen können die Erben ihres Sieges die Erinnerung nicht in denselben Farben halten. Allmählich nimmt es Schattierungen realer Ereignisse der Gegenwart an und verliert seine Authentizität.

Lasst uns die "lebende" Erinnerung an den Krieg bewahren

Die historische Erinnerung an den Krieg wird nicht nur aus bloßen historischen Fakten und einer Chronik der Ereignisse geformt und in den Köpfen der jüngeren Generation bewahrt.

Der emotionalste Faktor ist „lebendige Erinnerung“, also die Erinnerung der Menschen selbst. Jede russische Familie kennt sie schreckliche Jahre aus Augenzeugenberichten: Geschichten von Großvätern, Briefe von der Front, Fotografien, Militärsachen und Dokumente. Viele Zeugnisse des Krieges lagern nicht nur in Museen, sondern auch in Privatarchiven.

Schon heute ist es für kleine Russen schwer, sich eine hungrige, zerstörerische Zeit vorzustellen, die jeden Tag Kummer bringt. Dieses Stück Brot, das im belagerten Leningrad nach Norm gelegt wurde, diese täglichen Radioberichte über Ereignisse an der Front, dieser schreckliche Klang des Metronoms, dieser Postbote, der nicht nur Briefe von der Front brachte, sondern auch Beerdigungen. Aber zum Glück können sie noch die Geschichten ihrer Urgroßväter über die Ausdauer und den Mut russischer Soldaten hören, darüber, wie kleine Jungen an den Maschinen schliefen, nur um mehr Granaten für die Front zu bauen. Es stimmt, diese Geschichten sind selten ohne Tränen. Es tut zu weh, sich daran zu erinnern.

Künstlerisches Bild des Krieges

Die zweite Möglichkeit, die Erinnerung an den Krieg zu bewahren, sind literarische Schilderungen der Ereignisse der Kriegsjahre in Büchern, Dokumentar- und Spielfilmen. Vor dem Hintergrund von Großveranstaltungen im Land berühren sie immer wieder das Thema eines eigenen Schicksals einer Person oder Familie. Es ist ermutigend, dass sich das Interesse an militärischen Themen heute nicht nur in Jubiläen. In den letzten zehn Jahren sind viele Filme erschienen, die von den Ereignissen des Großen Vaterländischen Krieges erzählen. Am Beispiel eines Einzelschicksals wird der Zuschauer in die Front-Schwierigkeiten von Piloten, Matrosen, Spähern, Pionieren und Scharfschützen eingeführt. Moderne Filmtechnologien ermöglichen junge Generation Spüren Sie das Ausmaß der Tragödie, hören Sie die "echten" Kanonensalven, spüren Sie die Hitze der Flammen von Stalingrad, sehen Sie die Schwere der militärischen Übergänge während der Verlegung von Truppen

Moderne Geschichtsberichterstattung und Geschichtsbewusstsein

Verständnis und Darstellungen moderne Gesellschaftüber die Jahre und Ereignisse des Zweiten Weltkriegs ist heute mehrdeutig. Als Haupterklärung für diese Mehrdeutigkeit kann zu Recht der Informationskrieg angesehen werden, der sich in den Medien in den letzten Jahren entfaltet hat.

Heute erteilen sie, ohne irgendwelche Weltmedien zu verachten, denjenigen das Wort, die sich während der Kriegsjahre auf die Seite des Faschismus gestellt und am Massenmord an Menschen teilgenommen haben. Einige erkennen ihre Handlungen als "positiv" an und versuchen damit, ihre Grausamkeit und Unmenschlichkeit aus dem Gedächtnis zu löschen. Bandera, Schuchewitsch, General Wlassow und Helmut von Pannwitz sind inzwischen zu Helden der radikalen Jugend geworden. All dies ist das Ergebnis eines Informationskrieges, von dem unsere Vorfahren keine Ahnung hatten. Versuche, historische Tatsachen zu verzerren, erreichen manchmal den Punkt der Absurdität, wenn die Verdienste der Sowjetarmee herabgesetzt werden.

Wahrung der Authentizität von Ereignissen – Bewahrung des historischen Gedächtnisses der Menschen

Die historische Erinnerung an den Krieg ist der Hauptwert unseres Volkes. Nur so kann Russland der stärkste Staat bleiben.

Die Authentizität der heute behandelten historischen Ereignisse wird dazu beitragen, die Wahrheit der Tatsachen und die Klarheit der Bewertung der vergangenen Erfahrungen unseres Landes zu bewahren. Der Kampf um die Wahrheit ist immer hart. Auch wenn dieser Kampf "mit Fäusten" geführt wird, müssen wir die Wahrheit unserer Geschichte im Gedenken an unsere Großväter verteidigen.

historische Erinnerung

Stolyarchuk Olga Swjatoslawowna,

Dozent an der Nationalen Technischen Universität der Ukraine "Kyiv Polytechnic Institute".

Im Zentrum moderne Wissenschaft Es gibt umstrittene Probleme, die ihre Reflexion und ihr Umdenken in einem neuen Paradigma erfordern. Das ist das Problem des historischen Gedächtnisses, das ontologisch, erkenntnistheoretisch und axiologisch bedeutsam ist. Am Ende des 20. Jahrhunderts taucht neben den Begriffen Geschichtswissen und Geschichtsbewusstsein der Begriff des Geschichtsgedächtnisses auf und wird unterschiedlich interpretiert: als Mittel der Bewahrung und Überlieferung der Vergangenheit in Zeiten des Traditionsverlustes, als als individuelle Vergangenheitserinnerung, als kollektive Vergangenheitserinnerung, als soziale Vergangenheitserinnerung und schließlich einfach als Synonym für Geschichtsbewusstsein. Das historische Gedächtnis reproduziert die Kontinuität und Kontinuität des sozialen Lebens. Der Inhalt der Erinnerung ist die Vergangenheit, aber ohne sie ist es unmöglich, in der Gegenwart zu denken, die Vergangenheit ist die tiefe Grundlage des eigentlichen Bewusstseinsprozesses. Massenideen über die Vergangenheit bestehen, solange sie den Bedürfnissen der Gegenwart dienen. Das Verlangen nach historischem Wissen ist groß. Wir finden das Studium von Gedächtnisproblemen in den Werken von Philosophen wie: Platon, Aristoteles, Plotin, A. Augustinus, G. Gobbe, D. Locke, I. Kant, G. W. Hegel, K. Marx, F. Nietzsche, M. Heidegger, P. Ricker, N. A. Berdyaev, M. Lopatin, V. Solovyov, P. A. Florensky.

Das Interesse an der Vergangenheit wird bestimmt durch den Wunsch, die Wahrheit über die Vergangenheit zu erfahren, den Wunsch, den eigenen Horizont zu erweitern, das Bedürfnis, die Wurzeln des eigenen Landes und der eigenen Leute zu verstehen und zu kennen, der Wunsch, Antworten auf aktuelle Fragen zu finden.

Maurice Halbwachs gilt als Begründer der Theorie des historischen Gedächtnisses, der Kern seiner Hypothese ist, dass Geschichte und historisches Gedächtnis in vielerlei Hinsicht gegensätzlich sind: Geschichte beginnt meist in dem Moment, in dem die Tradition endet, das gesellschaftliche Gedächtnis verblasst oder sich auflöst. Solange die Erinnerung besteht, besteht keine Notwendigkeit, sie schriftlich zu fixieren und überhaupt irgendwie zu fixieren. Die Notwendigkeit, die Geschichte dieser oder jener Epoche, der Gesellschaft und sogar einer Person zu schreiben, entsteht daher erst, wenn sie so weit in die Vergangenheit gegangen sind, dass wir kaum eine Chance haben, viele Zeugen um uns herum zu finden, die sich an sie erinnern.

Für Aristoteles ist Erinnerung die Erinnerung an die Vergangenheit „Erinnerung ist weder Empfindung noch Verständnis, sondern eine im Laufe der Zeit erworbene Eigenschaft oder ein Zustand von einem von ihnen. Die Gegenwart kann nicht im Moment der Gegenwart erinnert werden, aber die Gegenwart wird durch Empfindung, die Zukunft durch Voraussicht und die Vergangenheit durch Erinnerung erfasst. Das bedeutet, dass jede Erinnerung mit der Zeit zusammenhängt. Wissen entpuppt sich nach Platon letztlich als Erinnerung.

Das historische Gedächtnis hat die Besonderheit, die wichtigsten historischen Ereignisse der Vergangenheit in den Köpfen der Menschen zu behalten, bis hin zur Transformation des historischen Wissens in verschiedene Formen der weltanschaulichen Wahrnehmung vergangener Erfahrungen, seine Fixierung in Legenden, Märchen, Traditionen, enthält Wissen über Schlachten, schicksalhaft Ereignisse, Leben und Aktivitäten von Politikern, Wissenschaftlern, Technik und Kunst. Wir können sagen, dass das historische Gedächtnis gewissermaßen ein fokussiertes Bewusstsein ist, das die Bedeutung und Relevanz von Informationen über die Vergangenheit in enger Verbindung mit der Gegenwart und Zukunft widerspiegelt. Es ist ein Ausdruck des Prozesses der Organisation, Bewahrung und Reproduktion der vergangenen Erfahrungen eines Volkes, Landes, Staates für seine mögliche Verwendung in den Aktivitäten der Menschen oder für die Rückkehr seines Einflusses in die Sphäre des öffentlichen Bewusstseins, es ist "das Wichtigste Bestandteil der Selbstidentifikation eines Individuums, einer sozialen Gruppe und der Gesellschaft als Ganzes, denn die Trennung von animierten Bildern der historischen Vergangenheit ist eine Art von Erinnerung, die hat spezielle Bedeutung für die Konstituierung und Integration sozialer Gruppen in der Gegenwart".

Die Verwendung des Begriffs Gedächtnis zur Verifizierung der Historie ist vollkommen legal. Aber die Frage ist, wie der Historiker zu diesen historischen „Erinnerungen“ stehen sollte. Das historische Gedächtnis oder genauer gesagt die Erzählung der Vergangenheit kann dem Historiker sowohl als Zeugnis dessen dienen, was in der Vergangenheit objektiv geschah, also in Form von von außen beobachtbaren Ereignissen, als auch als Zeuge dessen, was in der Vergangenheit geschah die Form von äußerlich beobachtbaren Ereignissen, als auch Zeuge dessen zu sein, wie die Vergangenheit von jenen Menschen erlebt wurde, die später ihre Erinnerungen aufzeichneten. Geschichtsbewusstsein entsteht aus der Erinnerung an die Vergangenheit und wird zu einem durch die Zeitkette verlängerten Gedanken. Menschen als direkte Träger des Geschichtsbewusstseins bewerten das gesellschaftliche Gedächtnis auf unterschiedliche Weise, sie sind sein Organisationsprinzip. Sie heben etwas als wichtig hervor, vergessen, woran sie sich nicht erinnern wollen, und blicken optimistisch oder verzweifelt in die Zukunft. Dies lässt sich nicht nur mit dem Prinzip des Historismus erklären, sondern das Geschichtsbewusstsein ist der Motor der Entwicklungswahl. An Gabelungspunkten, etwa in Jahren akuter Instabilität, verändern auch subjektive Faktoren das Geschichtsbewusstsein, wodurch das Verständnis des gesellschaftlichen Gedächtnisses neu aufgebaut wird. Man kann sagen, dass die Verbindung zwischen sozialem Gedächtnis und historischem Bewusstsein darin besteht, dass historisches Bewusstsein auf Erinnerung, Sein, beruht Kreativität, schafft auf seiner Grundlage ein eigenes Realitätsverständnis. Im Laufe der Zeit wird der bloße Gedanke an die Geschichte zu einer Erinnerung, wodurch ihre ständige Entwicklung stattfindet. „Das historische Gedächtnis als Identifikationsmerkmal des „Historischen“ ist untrennbar mit der historischen Tradition verbunden; außerhalb von ihr existiert auch kein historisches Gedächtnis.

Das Gedächtnis ist der Schöpfer der Vergangenheit, und seine historische Kapazität liegt in der Zeit. Nur dank der Kenntnis der Vergangenheit ist ein Mensch in der Lage, das für ihn Mögliche von dem Unmöglichen zu unterscheiden. Nur wer weiß, wie sich die Menschen entwickelt haben, kann bestimmen, was ihm in Zukunft nützlich sein wird. Die Wahrheit muss gesucht werden, eine Art Irrtum, der schwer zu widerlegen ist. Die Vergangenheit wird uns als Spuren gegeben, das heißt als Erbe, an das man sich erinnern sollte.

Historisches Gedächtnis nimmt die Form von Wissen in der Geschichtswissenschaft an. An konkreten Beispielen lassen sich unterschiedliche Dimensionen von Geschichte als „Erinnerungsgeschichte“ aufzeigen. Zentraler Punkt solcher Studien ist die Reflexion von Historikern über die Zeit, in der sie leben, und wie sie sich auf die Bilder der Vergangenheit auswirkt. Besonders interessant wird die „Geschichte der Erinnerung“ dort, wo wir uns auf den Spuren der historischen Erinnerung befinden, d.h. historischen Landmarken, was sich in unterschiedlichen Interpretationen und Bewertungen derselben Ereignisse ausdrückt. Die Erinnerung an sich kettet einen Menschen an die Vergangenheit, an die Traditionen jener toten Generationen, die, mit den Worten von K. Marx, „wie ein Albtraum über den Köpfen der Lebenden liegen“.

Damit ein Mensch sein Wesen in der modernen Welt offenbaren kann, ohne den Kontakt mit der vorherigen zu verlieren, ist es notwendig, dass er die Bedeutung bereits vorhandener Artefakte verstehen kann. Im Laufe des Lebens lernen wir etwas Neues und sammeln Informationen durch das Gedächtnis. Das Gedächtnis verbindet die Vergangenheit des Subjekts mit seiner Gegenwart und Zukunft und ist der wichtigste kognitive Prozess. Objektive Bedingungen erwecken einen subjektiven Faktor zum Leben, dessen Inhalt von den nachgefragten Individuen bestimmt wird. Aber Individuen können hervorragend und mittelmäßig sein ... Von ihnen hängt das Schicksal der objektiven Bedingungen für die Entwicklung des Landes und letztlich das Schicksal seiner Bevölkerung ab. Aber in kritischen Perioden der historischen Entwicklung stellt sich die schärfste Frage nach dem Sinn und Zweck der Existenz der ganzen Gesellschaft. Der Historiker verwendet unter dem Gesichtspunkt der Zuverlässigkeit inakzeptable Forschungen, Tatsachen werden angepasst, um die notwendige Rechtfertigung für das endgültige Ziel oder einen Sachverhalt in der Gegenwart zu erhalten. Wir verstehen und müssen zustimmen, dass sich mit periodischen und unvermeidlichen Veränderungen in politischen Regimen und Behörden historische Einschätzungen ändern, eine Lücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart schließt und daher einen objektiven Zugang zu historischem Wissen verhindert. Es kann argumentiert werden, dass die Ereignisse der Vergangenheit Wert und Bedeutung haben, eine vernünftige Grundlage nur im Kontext der Zeit, in der sie existierten, da wir über die Hindernisse eines objektiven Ansatzes im historischen Wissen als Bedingung für Wahrheit sprechen und Wahrheit. Geschichte, wie Nietzsche sagte, "brauchen wir für Leben und Aktivität, und nicht für eine bequeme Flucht vor Leben und Aktivität." Die Gegenwart, das heißt das Sein, braucht keine Erinnerung.

In gewissem Sinne ist laut M. Mamardashvili die Vergangenheit der Feind des Denkens, weil sie uns daran hindert, zu verstehen, was in Wirklichkeit ist. Manchmal müssen eine Person und eine Gesellschaft ihren Geist von unvollkommenen Ideen und Erfahrungen befreien, um das Vergangene, Erlebte zu überdenken. F. Nietzsche hat darüber in seinem Werk „Von Nutzen und Schaden der Geschichte“ geschrieben. Eine solche „Reinigung“ vergeht jedoch nicht, ohne das bereits Geschehene zu aktualisieren. Von großem Interesse ist für uns in diesem Zusammenhang die Position des herausragenden Philosophen des 20. Jahrhunderts Karl Popper zum Zusammenspiel von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er begründet die Position über die Asymmetrie von Vergangenheit und Zukunft, dass die Vergangenheit bereits stattgefunden hat und wir sie nicht beeinflussen können, es sei denn, unser Wissen darüber kann sich ändern. Unser Leben und Handeln ist jedoch darauf ausgerichtet, die Zukunft zu beeinflussen. Die „Zeitpfeile“ sind irgendwie in die Zukunft gerichtet.

Wir sprechen über eine Epoche, die im menschlichen Denken gefangen ist, sowie über die Seele der Kultur, die in einer bestimmten Ökumene (bewohnter Raum) geboren wird, wo ein Dialog zwischen einer Person und ihrer Umgebung entsteht.

Abschluss

Das Leben geht weiter. Die Suche nach der Wahrheit ist noch nicht zu Ende. Die Zukunft gehört dem Gesellschaftsmodell, das unter Wahrung des historischen Gedächtnisses es der Gesellschaft und dem Einzelnen ermöglicht, die Mittel und Wege zur Lösung moderner Probleme zu wählen. Viele Jahrhunderte lang hat der Mensch zu wenig gehandelt und zu wenig gedacht.

Die Berufung auf historische Erfahrungen im Zuge politischer Diskussionen, die Polarität der Einschätzungen historischer Persönlichkeiten und Ereignisse sowie Versuche, das Bild der historischen Vergangenheit in der Öffentlichkeit radikal zu verändern, sorgten für heftige Debatten. Die Politik im Bereich der historischen Erinnerung basiert auf der bewussten Anpassung der Tatsachen der historischen Vergangenheit an die Aufgaben der nationalen Identitätsbildung, was nicht immer mit der Suche nach Wahrheit vereinbar ist, und dies im historischen Wissen Die Anforderung ist am schwierigsten zu erfüllen.

Letztlich hängt es von den Aktivitäten der heutigen Generationen ab, ob das 21. Jahrtausend der Weltgeschichte zu seinem tragischen Epilog oder zum inspirierenden Prolog universeller menschlicher Solidarität wird. Ich denke, dass die Zukunft der Menschheit in absehbarer Zeit letztlich im weiteren Aufstieg des realen historischen Prozesses zu neuen Ebenen der Gesellschaftsentwicklung liegt. Diese progressive Bewegung kann weder eine einfache Fortsetzung der Gegenwart noch eine zyklische Wiederholung der Vergangenheit sein, denn im Kern bedeutet dieser Prozess die Herausbildung einer völlig neuen, in der Geschichte noch nie dagewesenen demokratischen Gesellschaft, die sich am Alten orientiert Ideale der Menschheit.

Literatur

1. Aristoteles. Über Gedächtnis und Erinnerung // Fragen der Philosophie. - 2004. - Nr. 7.

2. Berdyaev N.A. Die Bedeutung der Geschichte. M., Kap.1.

3. Baudrillard J. Das System der Dinge: Aus dem Französischen übersetzt. Prolegomena zur Geschichte - 375.

4. Marx K. Der achtzehnte Brumaire von Louis Bonaparte // Ausgewählt. zit.: in 9 Bänden / K. Marx, F. Engels. T.4 S.5.

5. Mamardashvili M. Cartesianische Überlegungen. - M., 1993 S.31.

6.Maurice Halbwachs M. Kollektives und historisches Gedächtnis // Notreserve 2005. Nr. 2-3 S.22.

7. Nietzsche F. O. Über den Nutzen und Schaden der Geschichte für das Leben S.159.

8. Panarin A.S. Ein Volk ohne Elite. M., 2006. S.193.

9. Plato. Te emem / Platon // Gesammelt. op. // in 4 Bänden M., 1993. - T.2 - S.25.

10. L. P. Repina Geschichte und Erinnerung. M., 2006 S. 23-24.

VORWORT

Das Handbuch präsentiert ein Bild der Entwicklung des historischen Wissens, der Entstehung des letzteren als wissenschaftliche Disziplin. Die Leser können sich mit verschiedenen Formen des Wissens und der Wahrnehmung der Vergangenheit in ihrer historischen Entwicklung vertraut machen, in den Verlauf moderner Kontroversen über den Platz der Geschichte in der Gesellschaft einsteigen, sich auf eine vertiefte Beschäftigung mit Schlüsselproblemen der Geschichte des historischen Denkens konzentrieren, Merkmale verschiedener Formen der Geschichtsschreibung, Entstehung, Verbreitung und Veränderung von Forschungssettings, Entstehung und Entwicklung der Geschichte als akademischer Wissenschaft.

Heute haben sich die Vorstellungen über das Thema Geschichte der Geschichtsschreibung, das Modell der historischen und historiographischen Analyse und den Status der Disziplin selbst erheblich verändert. Die sogenannte problematische Geschichtsschreibung tritt in den Hintergrund, der Schwerpunkt verlagert sich auf die Untersuchung der Funktionsweise und Transformation historischen Wissens im soziokulturellen Kontext. Das Handbuch zeigt, wie sich die Wissensformen der Vergangenheit im Laufe der Gesellschaftsentwicklung verändert haben, und zwar in Beziehung zu den Grundzügen eines bestimmten Typs der kulturellen und sozialen Organisation der Gesellschaft.

Das Handbuch besteht aus neun Kapiteln, von denen jedes einer eigenen Periode in der Entwicklung des historischen Wissens gewidmet ist - von den Ursprüngen in der Kultur der alten Zivilisationen bis zur Gegenwart (der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert). Besonderes Augenmerk wird auf die Beziehung der Geschichte zu anderen Wissensgebieten gelegt, den gängigsten Begriffsmodellen historische Entwicklung, Prinzipien der Analyse historischer Quellen, soziale Funktionen der Geschichte, Besonderheiten historischen Wissens.

EINFÜHRUNG

Dieser Leitfaden basiert auf Trainingskurs„Geschichte der Geschichtswissenschaft“ oder – genauer gesagt – „Geschichte des historischen Wissens“, deren Inhalt bestimmt wird modernes Verständnis Wesen und Funktionen historischen Wissens.

Die methodischen Grundlagen des Kurses werden durch eine Reihe von Ideen bestimmt, die im Zuge der Kontroverse über das Wesen humanitären Wissens vorgebracht wurden.

Erstens ist es eine Aussage über die Besonderheiten des historischen Wissens und die Relativität der Kriterien von Wahrheit und Verlässlichkeit in der historischen Forschung. Die Relativität historischen Wissens wird durch eine Reihe von Faktoren vorbestimmt, vor allem durch die anfängliche Mehrdeutigkeit der drei Hauptkomponenten der historischen Forschung: historische Tatsache, historische Quelle und Methode der historischen Forschung. Beim Versuch, die „objektive Wahrheit“ über die Vergangenheit herauszufinden, wird der Forscher zur Geisel sowohl seiner eigenen Subjektivität als auch der „Subjektivität“ der Beweise, die er dem rationalen Analyseverfahren unterwirft. Die Grenzen und Möglichkeiten des historischen Wissens werden sowohl durch die Unvollständigkeit der erhaltenen Beweise als auch durch den Mangel an Garantien dafür, dass die in diesen Beweisen widergespiegelte Realität ein zuverlässiges Bild der untersuchten Epoche ist, und schließlich durch die intellektuellen Werkzeuge der Forscher. Der Historiker erweist sich immer, freiwillig oder unfreiwillig, in seiner Interpretation der Vergangenheit und ihrer Rekonstruktion als subjektiv: Der Forscher interpretiert sie auf der Grundlage der konzeptuellen und ideologischen Konstruktionen seiner eigenen Zeit, geleitet von persönlichen Vorlieben und der subjektiven Wahl bestimmter Intellektueller Modelle. So sind historisches Wissen und das von ihm gebotene Bild der Vergangenheit immer subjektiv, partiell in ihrer Fülle und relativ in ihrer Wahrheit. Das Erkennen der eigenen Begrenztheit schließt jedoch nicht aus, dass historisch-wissenschaftliche Erkenntnisse rational sind, ihre eigene Methode, Sprache und gesellschaftliche Bedeutung haben 1 .

Zweitens ist die Originalität des Gegenstands und der Methoden der historischen Forschung und damit des historischen Wissens im Allgemeinen von grundlegender Bedeutung. Im Zuge der Herausbildung der Geschichtswissenschaft hat sich das Verständnis von Gegenstand und Aufgaben der Forschung stark verändert. Die moderne Praxis der Geschichtsforschung erkennt nicht nur die Breite ihres Feldes an, sondern auch die Möglichkeit unterschiedlicher Herangehensweisen an das Studium vergangener Phänomene und ihre Interpretation. Aus der Erfahrungswissenschaft, deren Hauptzweck die Erforschung von vor allem politisch bedeutsamen Ereignissen war, die Meilensteine ​​in der Entwicklung von Staatsgebilden und kausalen Zusammenhängen zwischen einzelnen Tatsachen festlegte, hat sich die Geschichte zu einer Disziplin entwickelt, die die Gesellschaft in ihrer Dynamik untersucht. Im Blickfeld des Historikers weiter Kreis Phänomene - vom wirtschaftlichen und politischen Leben des Landes bis zu den Problemen der privaten Existenz, vom Klimawandel bis zur Identifizierung der Vorstellungen der Menschen von der Welt. Studiengegenstand sind Ereignisse, Verhaltensmodelle von Menschen, Systeme ihrer Werte und Motivationen. Moderne Geschichte ist die Geschichte von Ereignissen, Prozessen und Strukturen, Privatsphäre Person. Eine solche Diversifizierung des Forschungsfeldes ist darauf zurückzuführen, dass unabhängig von den Präferenzen bestimmter Forschungsgebiete der Gegenstand historischer Erkenntnis eine Person ist, deren Wesen und Verhalten in sich vielfältig sind und aus verschiedenen Blickwinkeln und Beziehungen betrachtet werden können. Die Geschichte erwies sich als die universellste und umfangreichste von allen humanitäre Disziplinen neuen Zeit war ihre Entwicklung nicht nur von der Herausbildung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisbereiche - Soziologie, Psychologie, Ökonomie etc. - begleitet, sondern verbunden mit der Übernahme und Anpassung ihrer Methoden und Problemstellungen an die eigenen Aufgaben. Die Breite des historischen Wissens weckt bei Forschern zu Recht Zweifel an der Legitimität der Geschichte als eigenständige Wissenschaftsdisziplin. Geschichte, sowohl inhaltlich als auch formal, entstand in integraler Wechselwirkung mit anderen Bereichen des Studiums der Wirklichkeit (Geographie, Beschreibung der Völker usw.) Literarische Gattungen; als Sonderdisziplin konstituiert, wurde sie wieder in das System der interdisziplinären Interaktion eingebunden.

Drittens ist historisches Wissen nicht heute und war es nie zuvor, seit dem Moment seiner Entstehung, ein rein akademisches oder intellektuelles Phänomen 1 . Seine Funktionen zeichnen sich durch eine breite soziale Abdeckung aus, die sich auf die eine oder andere Weise widerspiegeln kritische Bereiche soziales Bewusstsein und soziale Praktiken. Historisches Wissen und Interesse an der Vergangenheit sind immer durch gesellschaftlich relevante Probleme bedingt.

Deshalb wird das Bild der Vergangenheit nicht so sehr nachgebaut, sondern von Nachkommen geschaffen, die ihre Vorgänger positiv oder negativ bewerten und damit ihre eigenen Entscheidungen und Handlungen rechtfertigen. Eine der extremen Formen der Aktualisierung der Vergangenheit ist die anachronistische Übertragung ideologischer Konstruktionen und Schemata, die die politische und soziale Praxis der Gegenwart beherrschen, auf frühere Epochen. Doch nicht nur die Vergangenheit wird zum Opfer von Ideologien und Anachronismen – die Gegenwart ist nicht weniger abhängig von dem ihr gezeigten Bild der eigenen Geschichte. Das Geschichtsbild, das der Gesellschaft als „Genealogie“ und bedeutsame Erfahrung geboten wird, ist ein mächtiges Instrument zur Beeinflussung des gesellschaftlichen Bewusstseins. Die in der Gesellschaft dominierende Einstellung zur eigenen geschichtlichen Vergangenheit bestimmt deren Selbstverständnis und Wissen um die Aufgaben der Weiterentwicklung. Geschichte oder ein Bild der Vergangenheit ist somit Teil des gesellschaftlichen Bewusstseins, Element politischer und ideologischer Vorstellungen und Ausgangsmaterial für die Bestimmung einer Strategie. gesellschaftliche Entwicklung. Anders gesagt, ohne Geschichte ist es unmöglich, eine soziale Identität und eine Vorstellung von den eigenen Perspektiven zu bilden, weder für eine einzelne Gemeinschaft noch für die Menschheit als Ganzes.

Viertens ist historisches Wissen ein funktional wichtiges Element des sozialen Gedächtnisses, das wiederum ein komplexes, vielschichtiges und historisch veränderliches Phänomen ist. Insbesondere gibt es neben der rationalen Tradition, Wissen über die Vergangenheit zu bewahren, ein kollektives soziales Gedächtnis sowie ein familiäres und individuelles Gedächtnis, das weitgehend auf der subjektiven und emotionalen Wahrnehmung der Vergangenheit basiert. Trotz der Unterschiede sind alle Gedächtnistypen eng miteinander verwandt, ihre Grenzen sind bedingt und durchlässig. Wissenschaftliches Wissen beeinflusst die Bildung kollektiver Vorstellungen über die Vergangenheit und wird wiederum von Massenstereotypen beeinflusst. Die historische Erfahrung der Gesellschaft war und ist in vielerlei Hinsicht das Ergebnis sowohl eines rationalen Verständnisses der Vergangenheit als auch ihrer intuitiven und emotionalen Wahrnehmung.

Die didaktischen und pädagogischen Ziele des Kurses werden durch eine Reihe von Überlegungen bestimmt.

Erstens die Notwendigkeit, in die Praxis der spezialisierten humanitären Ausbildung einen Kurs einzuführen, der das zuvor erlernte Material aktualisiert. Diese Aktualisierung des Materials betont nicht nur die wichtigsten Informationsblöcke, sondern bringt auch seinen Antriebsmechanismus in das Wissenssystem ein - die Methode des Vergangenheitsstudiums. Die Bekanntschaft mit der Technik des historischen Wissens bietet eine praktische Gelegenheit, das wichtigste immanente Merkmal des historischen Wissens zu verstehen und zu fühlen - eine paradoxe Kombination von Objektivität und Konventionalität darin.

Zweitens führt dieser Kurs, der die Stärke und Schwäche des historischen Wissens, seine Vielschichtigkeit und Abhängigkeit vom kulturellen Kontext aufzeigt, tatsächlich eine Entsakralisierung durch. wissenschaftliches Bild historische Vergangenheit." Es spiegelt die Koordinaten wider, die die Grenzen historischer Forschung, ihre gesellschaftlichen Funktionen und die Möglichkeit der Beeinflussung des öffentlichen Bewusstseins markieren. Als pädagogisches Hauptziel dieses Kurses kann man sagen, dass eine gesunde Skepsis und eine kritische Haltung gegenüber vielen scheinbar selbstverständlichen Vergangenheitsbeurteilungen und Definitionen gesellschaftlicher Entwicklungsmuster geweckt werden sollen.

Der Aufbau des Studiengangs folgt der Logik der historischen Entwicklung des Studiengegenstandes – historisches Wissen – von der archaischen Antike bis zur Gegenwart im Kontext von Gesellschaft und Kultur. Der Kurs untersucht die Hauptformen und Ebenen historischen Wissens: Mythos, Massenwahrnehmung der Vergangenheit, rationales Wissen (Geschichtsphilosophie), akademischer Historismus, historische Soziologie, Kulturwissenschaften und die neuesten Trends in der historischen Forschung. Ziel des Kurses ist es, die Vielfalt und Variabilität der Erkenntnisformen der Vergangenheit in historischer und zivilisatorischer Perspektive aufzuzeigen. Die Wahrnehmung und das Wissen über die Vergangenheit sowie die Einschätzung ihrer Bedeutung für die Gegenwart waren bei den Menschen des antiken Roms, den Bewohnern des mittelalterlichen Europas und Vertretern von Rom unterschiedlich Industriegesellschaft. Das Geschichtsbewusstsein unterscheidet sich nicht weniger grundlegend in Kulturelle Traditionen Europäische und östliche Zivilisationen. Ein wesentlicher Teil des Studiums widmet sich der Analyse der Entstehung des nationalen Geschichtswissens und vor allem einem Vergleich der Entwicklungspfade und Interaktionsmechanismen zwischen russischen und europäischen Traditionen.

Neben der historischen hat der Kurs eine strukturelle Komponente, konzentriert sich auf die Hauptkategorien und Konzepte des historischen Wissens, wie Konzepte wie "Geschichte", "historische Zeit", "historische Quelle", "historische Wahrheit" und " historisches Muster". Die Lehrveranstaltung zeigt die komplexe Struktur historischen Wissens, insbesondere die Differenzierung von wissenschaftlich-rationaler Tradition und massenhafter irrationaler Vergangenheitswahrnehmung, sowie deren Wechselwirkungen auf. Eines der wichtigsten ist das Thema der Bildung historischer Mythen und Vorurteile, ihrer Verwurzelung im Massenbewusstsein und ihres Einflusses auf die politische Ideologie.

Kapitel 1. WAS IST GESCHICHTE

Die Argumente, die einer Person von sich aus einfallen, überzeugen ihn meist mehr als die, die anderen einfallen.

Blaise Paskal

Begriffe und Probleme

Das Wort "Geschichte" hat in den meisten europäischen Sprachen zwei Hauptbedeutungen: Eine davon bezieht sich auf die Vergangenheit der Menschheit, die andere auf das literarische und narrative Genre, eine oft fiktive Geschichte über bestimmte Ereignisse. Im ersten Sinne bedeutet Geschichte die Vergangenheit im weitesten Sinne – als eine Gesamtheit menschlicher Taten. Darüber hinaus bezeichnet der Begriff "Geschichte" das Wissen über die Vergangenheit und bezeichnet die Gesamtheit der gesellschaftlichen Vorstellungen über die Vergangenheit. Synonyme für Geschichte sind in diesem Fall die Begriffe „historisches Gedächtnis“, „historisches Bewusstsein“, „historisches Wissen“ und „historische Wissenschaft“.

Die mit diesen Begriffen bezeichneten Phänomene sind miteinander verbunden, und es ist oft schwierig, fast unmöglich, eine Grenze zwischen ihnen zu ziehen. Generell weisen die ersten beiden Konzepte jedoch eher auf ein spontan entstandenes Bild der Vergangenheit hin, während die letzten beiden einen überwiegend zielgerichteten und kritischen Umgang mit dessen Erkenntnis und Bewertung implizieren.

Bemerkenswert ist, dass der Begriff „Geschichte“, der das Wissen um die Vergangenheit impliziert, weitgehend seine literarische Bedeutung behält. Das Wissen über die Vergangenheit und die Präsentation dieses Wissens in einer zusammenhängenden mündlichen oder schriftlichen Präsentation beinhaltet immer eine Geschichte über bestimmte Ereignisse und Phänomene, die ihre Entstehung, Entwicklung, innere Dramatik und Bedeutung offenbart. Geschichte als besondere Form menschlichen Wissens wurde im Rahmen der literarische Kreativität und hält bis heute Kontakt zu ihm.

Historische Quellen sind vielfältiger Natur: Dies sind schriftliche Denkmäler, mündliche Überlieferungen, Werke materieller und künstlerischer Kultur. Für einige Epochen sind diese Beweise äußerst spärlich, für andere sind sie reichlich und heterogen. In jedem Fall rekonstruieren sie jedoch nicht die Vergangenheit als solche, und ihre Informationen sind nicht direkt. Für die Nachwelt sind dies nur Fragmente eines für immer verlorenen Bildes der Vergangenheit. Um historische Ereignisse nachzustellen, müssen Informationen über die Vergangenheit identifiziert, entschlüsselt, analysiert und interpretiert werden. Die Erkenntnis der Vergangenheit ist mit dem Vorgang ihrer Rekonstruktion verbunden. Ein Wissenschaftler, wie auch jeder an Geschichte Interessierte, untersucht nicht einfach irgendein Objekt, sondern stellt es im Wesentlichen nach. Das ist der Unterschied zwischen dem Fach des historischen Wissens und dem Fach der exakten Wissenschaften, wo jedes Phänomen als unbedingte Realität wahrgenommen wird, auch wenn es nicht untersucht und erklärt wurde.

Historisches Wissen wurde in der Antike im Prozess der Entwicklung der Gesellschaft und des sozialen Bewusstseins geformt. Das Interesse der Gemeinschaft der Menschen an ihrer Vergangenheit ist zu einer der Manifestationen der Tendenz zur Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung geworden. Es basierte auf zwei miteinander verbundenen Motiven - dem Wunsch, die Erinnerung an sich selbst für die Nachwelt zu bewahren, und dem Wunsch, die eigene Gegenwart zu verstehen, indem man sich auf die Erfahrungen der Vorfahren bezog. verschiedene Epochen und verschiedene Zivilisationen im Laufe der Menschheitsgeschichte haben Interesse an der Vergangenheit gezeigt, nicht nur in unterschiedlicher Form, sondern auch in unterschiedlichem Maße. Als allgemeines und faires Urteil der modernen Wissenschaft kann die Annahme gelten, dass erst in der europäischen Kultur, die ihren Ursprung in der griechisch-römischen Antike hat, das Wissen um die Vergangenheit eine herausragende soziale und politische Bedeutung erlangt hat. Alle Epochen der Entstehung der sogenannten abendländischen Zivilisation – Antike, Mittelalter, Neuzeit – sind geprägt vom Interesse der Gesellschaft, ihrer einzelnen Gruppen und Individuen an der Vergangenheit. Die Art und Weise, die Vergangenheit zu bewahren, sie zu studieren und darüber zu erzählen, änderte sich dabei Gemeindeentwicklung, nur die Tradition blieb unverändert, Antworten auf die drängenden Fragen der Gegenwart in der Vergangenheit zu suchen. Historisches Wissen war nicht nur ein Element Europäische Kultur, sondern eine der wichtigsten Quellen seiner Entstehung. Ideologie, Wertesystem, soziales Verhalten entsprechend der Art und Weise entwickelt, wie Zeitgenossen ihre eigene Vergangenheit verstanden und erklärten.

Aus den 60er Jahren. 20. Jahrhundert Geschichtswissenschaft und historisches Wissen insgesamt durchlaufen eine turbulente Zeit, in der sie mit den Traditionen und Stereotypen brechen, die in der neuen europäischen Gesellschaft im 18. und 19. Jahrhundert entstanden sind. Während letzte Jahrzehnte es tauchten nicht nur neue Ansätze für das Studium der Geschichte auf, sondern es entstand auch die Idee, dass die Vergangenheit endlos interpretiert werden könnte. Die Idee der vielschichtigen Vergangenheit suggeriert, dass es keine einzelne Geschichte gibt, sondern nur viele einzelne „Geschichten“. historische Tatsache erwirbt nur in dem Maße Realität, in dem es Teil davon wird menschliches Bewusstsein. Die Pluralität der „Geschichten“ wird nicht nur durch die Komplexität der Vergangenheit generiert, sondern auch durch die Besonderheiten des historischen Wissens. Die These, dass historisches Wissen vereinheitlicht ist und über einen universellen Satz von Methoden und Werkzeugen zur Erkenntnis verfügt, wurde von einem erheblichen Teil der wissenschaftlichen Gemeinschaft abgelehnt. Dem Historiker wird das Recht auf persönliche Wahl sowohl des Gegenstands der Forschung als auch der intellektuellen Werkzeuge zuerkannt.

Zwei Fragen sind für zeitgenössische Diskussionen über die Bedeutung der Geschichte als Wissenschaft von größter Bedeutung. Gibt es eine einzige Vergangenheit, über die der Historiker die Wahrheit sagen muss, oder zerfällt sie in unendlich viele „Geschichten“, die es zu interpretieren und zu studieren gilt? Hat der Forscher die Möglichkeit, die wahre Bedeutung der Vergangenheit zu verstehen und die Wahrheit darüber zu sagen? Beide Fragen betreffen das Kardinalproblem des sozialen Zwecks der Geschichte und ihres „Nutzens“ für die Gesellschaft. Das Nachdenken darüber, wie historische Forschung von der Gesellschaft in der modernen, komplexen, sich verändernden Welt genutzt werden kann, zwingt Wissenschaftler dazu, immer wieder auf die Analyse der Mechanismen des historischen Bewusstseins zurückzukommen, um eine Antwort auf die Frage zu suchen: Wie und zu welchem ​​​​Zweck haben Menschen der früheren Generationen studieren die Vergangenheit. Das Thema dieses Kurses ist Geschichte als Prozess der Vergangenheitserkenntnis.

Geschichtsbewusstsein und historisches Gedächtnis

Geschichte als Prozess der Kenntnis der Vergangenheit, einschließlich der Auswahl und Bewahrung von Informationen darüber, ist eine der Manifestationen des sozialen Gedächtnisses, der Fähigkeit von Menschen, ihre eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen früherer Generationen zu speichern und zu verstehen.

Das Gedächtnis gilt als eine der wichtigsten Eigenschaften eines Menschen, die ihn von Tieren unterscheidet; es ist eine sinnvolle Einstellung zur eigenen Vergangenheit, die wichtigste Quelle persönlicher Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung. Eine Person ohne Gedächtnis verliert die Möglichkeit, sich selbst zu verstehen, ihren Platz unter anderen Menschen zu bestimmen. Das Gedächtnis sammelt das Wissen einer Person über die Welt, verschiedene Situationen, in denen sie sich befinden kann, ihre Erfahrungen und emotionalen Reaktionen, Informationen über das richtige Verhalten in Alltags- und Notfallsituationen. Gedächtnis unterscheidet sich von abstraktem Wissen: Es ist Wissen, das von einer Person persönlich erfahren und gefühlt wird, ihre Lebenserfahrung. Geschichtsbewusstsein – das Bewahren und Verstehen der historischen Erfahrung der Gesellschaft – ist ihr kollektives Gedächtnis.

Das Geschichtsbewusstsein bzw. das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft ist ebenso heterogen wie das individuelle Gedächtnis eines Menschen. Drei Umstände sind für die Bildung des historischen Gedächtnisses wichtig: Vergessen der Vergangenheit; unterschiedliche Arten der Interpretation derselben Tatsachen und Ereignisse; die Entdeckung jener Phänomene in der Vergangenheit, an denen Interesse geweckt wird aktuelle Themen aktuelles Leben.